Gesehen haben wir sie sicher alle schon – jene Anzeigen in den Sozialen Netzwerken oder Onlinemedien, in denen uns versprochen wird, mithilfe einer Software in nur 10 Minuten täglich eine beliebige Fremdsprache erlernen zu können. Natürlich träumen wir zudem sicher davon, mit nur einem Mausklick jede Sprache der Welt in unsere Muttersprache übersetzen lassen oder ihr doch zumindest einen Sinn entlocken zu können. Ohne Zweifel hat die maschinelle Übersetzung auch in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Nun scheint es aber Sprachen zu geben, die sich – noch – gegen einen derartigen Zugang sträuben. Die japanische Sprache mag zu diesen gehören. Auf ein sehr „extremes“, möglicherweise nicht repräsentatives Argument zur Unterstützung dieser These stieß ein Tourist in spe bei einer Internetrecherche, als er sich im Vorfeld eines Besuches in Hiroshima über Lokalitäten in der Nähe seiner Unterkunft informieren wollte. Er glaubte seinen Augen nicht trauen zu können, als er das maschinelle Übersetzungsangebot eines Kommentars über eine seinem Hotel benachbarte Kneipe las, und wurde zugleich demütig und dankbar, dass das herkömmliche Erlernen einer Fremdsprache, für das vor allem Zeit zu investieren ist, doch noch Vorzüge hat und ihn sofort den Übersetzungsfehler erkennen ließ. Nein, ich darf Ihnen vorab versichern, dass sich die japanische Esskultur in den letzten Jahren nicht entscheidend verändert hat. Die zahlreichen Homophone, die die japanische Sprache bietet, scheinen hier eher zu einer Fußangel für die maschinelle Übersetzung geworden zu sein. Weiterlesen
Archiv der Kategorie: japanische Sprache
Das Jahr 2017 ist glücklicherweise nicht so weit fortgeschritten, daß man nicht noch einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr werfen könnte. Zeitmangel und fehlende Ruhe lassen mich als Teil meiner noch vergleichsweise jungen jährlichen Routine der Jahre 2013, 2014 und 2015 nun erst verspätet diesen Blick auf ein Ereignis im Dezember 2016 werfen, dessen jährliche Wiederkehr sich in Japan einer gewissen medialen Aufmerksamkeit erfreut: die Bekanntgabe des „Schriftzeichens des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字). Wie bei uns jährlich das „Wort des Jahres“, von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) verkündet, ein sich dem Ende zuneigendes Jahr besonders charakterisieren solle, wurden seit Anfang November 2016 von der „Japanischen Gesellschaft zur Überprüfung der kanji-Fähigkeit“ (Nihon kanji nôryoku kentei kyôkai 日本能力検定協会) wieder Vorschläge für ein chinesisches Schriftzeichen eingeworben, mit dem sich das Jahr 2016 am besten beschreiben lassen sollte. Am 12. Dezember, dem „Tag des chinesischen Schriftzeichens“ (kanji no hi 漢字の日), wurde es wie gewöhnlich in einer kalligraphischen Zeremonie im Kiyomizu-dera (清水寺), einer der bekanntesten buddhistischen Sehenswürdigkeiten Kyôtos, der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach den Jahren 2000 und 2012 fiel zum dritten Mal die Wahl mehrheitlich auf das Schriftzeichen 金 (kin – kon / kane – kana) mit seinen Bedeutungen „Geld“, „Gold“, „goldfarben“, „(Edel-)Metall“. Wie vielfältig die eingereichten Vorschläge gewesen sein müssen, zeigt jedoch deutlich, daß dieses Schriftzeichen mit nur 6.655 von insgesamt abgegebenen 153.562 Stimmen bzw. einem Stimmenanteil von 4,33 % den ersten Platz erreichte. Weiterlesen
Nicht wie bisher üblich am 12. Dezember, dem „Tag des chinesischen Schriftzeichens“, sondern etwas verspätet wurde heute das japanische „Schriftzeichen des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字) 2015 bekannt gegeben. Wie schon in den Vorjahren hatte die „Japanische Gesellschaft zur Überprüfung der kanji–Fähigkeit“ (Nihon kanji nôryoku kentei kyôkai 日本漢字能力検定協会) landesweit Vorschläge für ein chinesisches Schriftzeichen eingeworben, das die vielschichtigen Entwicklungen Japans im Jahr 2015 repräsentiere. Von insgesamt abgegebenen 129.647 fiel mit 5.632 Stimmen (= 4,3 %) die Wahl auf das Schriftzeichen 安 mit den Lesungen an / yasu[-i] - yasun[-jiru] – izu[-kunzo] sowie seinen Bedeutungen „sicher“, „friedlich“, „bequem“ und „billig“. Wie schon seine Vorgänger der Jahre 2013 und 2014 und wie das „Schriftzeichen der Zukunft“ (mirai no kanji 未来の漢字) wurde das diesjährige chinesische Siegerzeichen auch in einer kalligraphischen Zeremonie im Kiyomizu-dera (清水寺) vom Vorstand dieses buddhistischen Tempels Mori Seihan 森清範 der Öffentlichkeit vorgestellt. Weiterlesen
Vielleicht ist es das Vorrecht der Kinder, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Möglicherweise aber ist es auch nur eine Ausdrucksform einer Erziehung, die den Ängsten und Sorgen positive Wünsche für eine gedeihliche zukünftige Entwicklung vorzieht. Zweifelsohne gäbe es im 21. Jahrhundert weltweit über die Generationengrenzen hinweg ausreichend Anlaß, sich Sorgen zu machen. Ungeachtet der Tatsache, daß die Krisen und Probleme moderner Gesellschaften auch die Kinder in ihrem Erleben und Denken erreichen, scheinen sie sich eine Portion der Zuversicht erhalten zu haben – zumindest in Japan und in einer überschaubaren Zahl. Anläßlich der Bekanntgabe des 20. „Schriftzeichens des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字) Mitte Dezember 2014, von der ich bereits berichtete, wurde von der „Japanischen Gesellschaft zur Überprüfung der kanji–Fähigkeit“ (Nihon kanji nôryoku kentei kyôkai 日本漢字能力検定協会) unter den Schülern des 1. bis 6. Schuljahres in japanischen Grundschulen auch ein „Schriftzeichen der Zukunft“ (mirai no kanji 未来の漢字) eingeworben. Unter den zehn Schriftzeichen, die die meisten Stimmen der 6.387 Abgegebenen auf sich vereinen konnten, waren ausnahmslos Schriftzeichen mit einer zutiefst positiven Konnotation. Mit 674 Stimmen gewann das Schriftzeichen gaku – raku / tanoshii – tanoshimu 楽 mit seinen Bedeutungen wie etwa „behaglich“, „bequem“, „fröhlich“ und „vergnüglich“. Weiterlesen
Haben Sie nicht vielleicht auch den Eindruck, als sei das Jahr 2014, wenn auch noch wenige Wochen verbleiben, besonders schnell vergangen? Fast kommt es mir vor, als habe ich erst „gestern“ von der Wahl eines „Schriftzeichen des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字) – da aber für das Jahr 2013 – als verkürzte Bilanz eines Jahreslaufs und den Modus seiner Auswahl berichtet. Heute wurde nun bereits das für das Jahr 2014 repräsentative Schriftzeichen gekürt. Es ist das 20. seiner Art. Die Wahl fiel auf das Schriftzeichen 税 mit den Lesungen zei - sei / mitsugi sowie der Bedeutung „Steuer“. Vor allem die Erhöhung (zôzei 増税) der Verbrauchssteuer (shôhi-zei 消費税) zum 1. April diesen Jahres, übrigens erstmals seit 1997, von 5% auf 8%, aber auch die Verschiebung einer ursprünglich für den 1. Oktober 2015 geplanten zweiten Anhebung auf 10% führten zum Votum für dieses Schriftzeichen. Die Anhebung der Verbrauchssteuer stelle durch eine Verteuerung von Waren des täglichen Bedarfs, der Transportkosten (für Taxis, Bahnen und Busse) und der Gebühren öffentlicher Versorgungsunternehmen für Strom, Gas und Wasser eine Belastung für die Haushaltsführung dar und habe dadurch einen großen Einfluß auf die Lebensweise der Japanerinnen und Japaner erlangt. Damit verwies es die Schriftzeichen netsu / atsu[i] – hate[ru] – iki[ru] – hotobori 熱 (= Hitze, auch Eifer bzw. Enthusiasmus) und kyo / fu{ku] – ha[ku] – uso 嘘 (= Lüge) auf den zweiten bzw. dritten Platz. Weiterlesen
Zumindest sind sie offenbar nicht justitiabel. Vor einigen Monaten berichtete ich von einer recht ungewöhnlichen Klage eines Pensionärs, dem die Entwicklung der japanische Sprache nicht völlig gleichgültig ist, gegen den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender NHK. Takahashi Hôji 高橋鵬二 hatte im vergangenen Jahr mit der Behauptung, durch einen zu häufigen Gebrauch englischer Lehnwörter in der japanischen Sprache in Fernsehsendungen des Staatsfernsehens „seelische Qualen“ (seishin-teki kutsû 精神的苦痛) zu erleiden, eine Schadenersatzklage vor dem Landgericht Nagoya (Nagoya chisai 名古屋地裁) angestrengt. Bereits am 12. Juni erging in der Sache das Urteil: Weiterlesen
Seit 1995 wird es in Japan ermittelt – das chinesische „Schriftzeichen des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字). Als gemeinnützige Stiftung wirbt die „Japanische Gesellschaft zur Überprüfung der kanji-Fähigkeit“ (Nihon kanji nôryoku kentei kyôkai 日本漢字能力検定協会) jährlich Vorschläge für ein chinesisches Schriftzeichen (kanji 漢字) ein, dessen Bedeutung die Entwicklungen eines Jahres am besten widerspiegele. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Kyôto und gründet ihre Tätigkeit auf drei Säulen: (1) der Steigerung des öffentlichen Bewußtseins für die Bedeutung chinesischer Schriftzeichen in der japanischen Sprache, (2) der Forschung zur kanji-Kultur und zum Japanischen und (3) der Steigerung der Fähigkeit in der Verwendung chinesischer Schriftzeichen. Zur Popularisierung chinesischer Schriftzeichen wird nunmehr seit 1995 an jedem 12. Dezember, dem von der Gesellschaft proklamierten „Tag des chinesischen Schriftzeichens“ (kanji no hi 漢字の日), in einer medienwirksamen Zeremonie am Kiyomizu-dera (清水寺), einem der beliebtesten buddhistischen Tempel Kyôtos, die jährliche Wahl verkündet. Dazu kalligraphiert der Vorstand (kansu / kanju 貫主) des Tempels, Mori Seihan 森清範, großflächig die Auswahl des Jahres. Diese Kalligraphien wiederum werden im Museum der Gesellschaft (kanji shiryôkan 漢字資料館) gesammelt und ausgestellt. Mit dem „Tag des chinesischen Schriftzeichens“ solle das Interesse an kanji vertieft und eine Gelegenheit geschaffen werden, über die tiefgründige Bedeutung der Schriftzeichen, die den Kern der japanischen Sprache darstellten, zu lernen. Außerdem wolle man generell das Verständnis für die japanische Kultur vertiefen. Die Auswahl jenes konkreten Datums eines „Tages des chinesischen Schriftzeichens“ ihrerseits, also des 12.12., erfolgte gemäß einer Eigenart in Japan, sich Zahlen über deren Lesung mittels einer „Eselsbrücke“ merken zu können und zugleich einen der Zahlenauswahl Sinn gebenden Gehalt zu transportieren (goroawase 語呂合わせ):
1 – 2 – 1 – 2 = いい字一字 = „ii ji ichiji“ als Motto des Tages, mit dem der Wunsch ausgedrückt wird, sich (mindestens) „ein Zeichen, ein schönes Zeichen“ pro Jahr zu merken;
Für das Jahr 2013 wählte man das Zeichen 輪 (rin / wa) mit der Bedeutung „Ring“, „Rad“ bzw. etwas „Rundes“. Die erfolgreiche Bewerbung Tôkyôs um die Olympischen Sommerspiele 2020, aber auch die Aufnahme des Berges Fuji und der ihn umgebenden Orte in die Liste des Weltkulturerbes seitens der UNESCO und die Qualifizierung der japanischen Mannschaft für die Fußballweltmeisterschaft 2014 hätten gezeigt, daß man durch ein Zusammenstehen, durch „Teamwork“, etwas erreichen könne. Gleiches gelte für die Bewohner der Tôhoku-Region, also des Nordostens Japans, mit deren Unterstützung die Tôhoku Rakuten Golden Eagles (東北楽天ゴールデンイーグルス) erstmals in ihrer Vereinsgeschichte im Jahr 2013 in der japanischen Baseballliga den Meistertitel erringen konnten. Außerdem habe man die Folgen der zahlreichen Naturkatastrophen, die 2013 das Land heimsuchten, dadurch überwinden könne, daß man zusammengestanden habe. Das Schriftzeichen dokumentiere zudem auch eine grenzüberschreitende Solidarität, wie sie sich beispielsweise in der Entsendung des bisher größten Kontingentes der japanischen Selbstverteidigungskräfte auf die Philippinen zu Rettungs- und Hilfsaktionen im Zuge der durch den Taifun Haiyan verursachten Zerstörungen äußere. Weiterlesen