Publikation: „Jesus in Japan“-Tradition & die „Takeuchi-Dokumente“

Vor eini­ger Zeit habe ich für die Fest­schrift von Herrn Prof. Dr. Wolf­gang Sei­fert (Uni­ver­si­tät Hei­del­berg) anläß­lich sei­ner Pen­sio­nie­rung einen Text zur „Jesus in Japan“-Tradition im Kon­text des Shintô-Nationalismus ver­faßt, der nun erschie­nen ist. Die Grund­la­ge für die­ses Manu­skript bil­de­ten ers­te Ergeb­nis­se mei­ner For­schung zu den soge­nann­ten „Takeuchi-Dokumenten“ (Takeuchi mon­jo 竹内文書) als einem von Takeuchi Kiyo­ma­ro 竹内巨麿 (1874/5(?)-1965) am Über­gang der Taishô- zur Shôwa-Zeit, also in der zwei­ten Hälf­te der 1920er Jah­re, prä­sen­tier­ten Kor­pus von Tex­ten und Arte­fak­ten. Einer der Kern­in­hal­te die­ses Kor­pus begrün­de­te eine „Jesus in Japan“-Tradition, nach der Jesus Chris­tus nicht etwa am Kreuz starb, son­dern vor der Hin­rich­tung nach Japan flüch­te­te und sich im Nor­den des Lan­des, in der heu­ti­gen Prä­fek­tur Aom­ori 青森県, ansie­del­te. Im März 2014 hat­te ich die Gele­gen­heit, das angeb­li­che „Grab Chris­ti“ (Kiri­suto no haka キリストの墓) im Dorf Shin­gô 新郷 zu besu­chen. Über die­se Rei­se, deren Moti­va­ti­on und Hin­ter­grün­de habe ich schon an ande­rer Stel­le berich­tet. In dem nun publi­zier­ten Text unter­su­che ich die „Takeuchi-Dokumente“ im Kon­text der Bio­gra­phie ihres „Ent­de­ckers“ vor dem Hin­ter­grund der Geschich­te Japans in der Moder­ne und gehe den Wur­zeln jener „Jesus in Japan“-Tradition als einem der Kern­ele­men­te des Text­kor­pus nach. Die Inhal­te die­ser Doku­men­te, mit denen die „Reichs­ge­schich­te“ Japans seit der Ur- und Früh­ge­schich­te zu einer „Welt­ge­schich­te“ über­höht wird, sind so reich­hal­tig, daß ich sie in zukünf­ti­gen Publi­ka­tio­nen wei­ter ana­ly­sie­ren wer­de. Jetzt erschie­nen ist:

★ Sprot­te, Maik Hen­drik (2015): „Chris­tus kam nur bis Japan. Takeu­chi Kiyo­ma­ro (1874—1965) und sei­ne ‚Uni­ver­sa­li­sie­rung‘ des Shin­tô.“ In: Zach­mann, Urs Mat­thias/ Uhl, Chris­ti­an (Hg.): Japan und das Pro­blem der Moder­ne. Wolf­gang Sei­fert zu Ehren. Mün­chen: Iudi­ci­um, S. 376—393.

Mein Weg zu Jesus – ein japanischer Reisebericht

Einleitung

Erschre­cken Sie bit­te nicht. Ich habe nicht die Absicht, mich in die­sem Bei­trag jener Fra­ge des Gret­chens zuzu­wen­den, die Goe­the im „Faust“ die­ser in den Mund leg­te: „Nun sag, wie hast du’s mit der Reli­gi­on?“ Pri­va­tes darf pri­vat blei­ben; Glau­bens­fra­gen wer­den nur am Ran­de berührt – zumin­dest soweit sie mei­ne per­sön­li­chen reli­giö­sen Über­zeu­gun­gen betref­fen. Ein Glau­bens­be­kennt­nis möch­te ich weder abge­ben noch ver­lan­gen. Mei­ne Absicht ist es viel­mehr nur, von einer Rei­se zu berich­ten, die mich schon vor meh­re­ren Mona­ten, Anfang März 2014, in den Nor­den Japans, in das Dorf Shin­gô 新郷 im Süden der Prä­fek­tur Aom­ori 青森県, auf den Spu­ren einer japa­ni­schen Jesus-Legende zu einem Grab führ­te, das angeb­lich das „Grab Chris­ti“ (Kiri­suto no haka キリストの墓) sein soll. Die­ses Grab steht den­noch nicht etwa in einem christ­li­chen Kon­text, son­dern soll­te bei sei­ner „Ent­de­ckung“ im Jahr 1935 Glau­bens­in­hal­te einer neu­en, in Shintô-Tradition ste­hen­den Reli­gi­on (shintô-kei shin-shûkyô 神道系新宗教) stüt­zen, deren Exege­se dazu ver­an­laßt, die­se Reli­gi­on in einer Kom­bi­na­ti­on aus religions- und poli­tik­wis­sen­schaft­li­cher Ana­ly­se unter dem Dach des reli­giö­sen Natio­na­lis­mus, hier des Shintô-Nationalismus, zu ver­or­ten. Wei­ter­le­sen

Elfmeter“ oder von den Tücken der maschinellen Übersetzung

Der Besuch eines pol­ni­schen Hotels in der ver­gan­ge­nen Woche brach­te es an den Tag: Was das Rauch­ver­bot betrifft, wächst Euro­pa mehr und mehr zusam­men. Zudem kann offen­bar nicht unein­ge­schränkt zur Nut­zung „künst­li­cher Intel­li­genz“ für Über­set­zun­gen, in die­sem Fall eines Com­pu­ter­pro­gramms, gera­ten wer­den. Als Beleg für die­se wage­mu­ti­ge Behaup­tung mag hier nur ein Aus­zug aus der im Gäs­te­zim­mer aus­lie­gen­den Hotel­in­for­ma­ti­on dienen:

  • We kind­ly ask not to smo­ke in hotel rooms and other are­as. If you do not com­ply with the request, Guest will pay a penal­ty at the box office recep­ti­on of 500 zl.“

  • Wir bit­ten, nicht in Hotel­zim­mern und in ande­ren Berei­chen zu rau­chen. Wenn Sie nicht mit dem Antrag nicht ent­spre­chen, wer­den Gäs­te einen Elf­me­ter an den Kas­sen Emp­fang von 500 zl bezahlen.“

Unklar bleibt gleich­wohl, ob es nicht viel­leicht doch nur ein pol­ni­scher Über­set­zer als Ver­tre­ter eines der bei­den Gast­ge­ber­län­der der Fuß­ball­eu­ro­pa­meis­ter­schaft 2012 schlicht mit sei­ner Fuß­ball­be­geis­te­rung etwas über­trie­ben hat.

Schwierigkeiten der Forschung und „Jesus in Japan“

Ich den­ke, es gehört zu den prak­ti­schen Erfah­run­gen eines jeden wis­sen­schaft­lich Arbei­ten­den, daß man im Fer­tig­stel­lungs­pro­zeß eines Pro­jek­tes – von der ers­ten Idee bis zur Vor­la­ge eines abge­schlos­se­nen Manu­skripts – Stim­mungs­schwan­kun­gen, von rela­ti­ver Ver­zweif­lung bis hin zu nahe­zu eupho­ri­schen Zustän­den, durch­lebt. Dies gilt sicher alle­mal dann, wenn man die­se Form der Arbeit mehr als Ver­gnü­gen denn als lei­di­ge Pflicht versteht.

So ging es mir dann auch bei der Arbeit an einem Text zu den soge­nann­ten „Takeuchi-Dokumenten“ (Takeuchi mon­jo 竹内文書, auch Take(no)uchi bun­ken 竹内文献), auf die ich anfangs tat­säch­lich erst­mals durch die Lek­tü­re eines japa­ni­schen Kri­mi­nal­ro­mans, der „Legen­de von Lie­be und Tod“ (Ai to shi no den­setsu 愛と死の伝説) von Nis­hi­mu­ra Kyô­tarô 西村京太郎, auf­merk­sam wur­de. Die­se inzwi­schen nur noch teil­wei­se und dann aus­schließ­lich in Abschrif­ten vor­lie­gen­den Doku­men­te bil­den den zen­tra­len Text­kor­pus einer japa­ni­schen soge­nann­ten „neu­en Reli­gi­on“ (shin-shûkyô 新宗教), der „Reli­gi­on des Him­mels“ (amatsu-kyô 天津教), die in der Tra­di­ti­on der auto­chtho­nen Reli­gi­on Japans, des Shin­tô 神道, steht. Da in abseh­ba­rer Zeit dazu ein wis­sen­schaft­li­cher Auf­satz von mir vor­lie­gen dürf­te und zudem gegen­wär­tig ein eng­lisch­spra­chi­ges Manu­skript zu die­ser im Über­gang vom 19. zum 20. Jahr­hun­dert ent­stan­de­nen Spiel­art im Kon­text des japa­ni­schen Natio­na­lis­mus von mir vor­be­rei­tet wird, will ich mich auf die­se Ein­ord­nung beschrän­ken. Wei­ter­le­sen