Egon Bahrs Japan-Besuch 1969: ein Moment des japanischen „nuclear hedging“:
Als Ergebnisse meiner Forschung zu diesem Thema sind die folgenden Publikationen erschienen:
この度、私が1969年の日独外務省政策企画協議と日本の核武装問題をテーマに執筆した論文が東京大学大学院総合文化研究科附属グローバル地域研究機構/ドイツ・ヨーロッパ研究センター編集『ヨーロッパ研究』第15号に掲載されましたので、ここにお知らせいたします。
♦ マイク・ヘンドリク・シュプロッテ(2016年):「日独外務省政策企画協議と日本の核武装問題―エゴン・バールと1969年の日本訪問―」、『ヨーロッパ研究』、第15号、29-41頁. 論文のフル・テキストはこちらです。
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♦ Sprotte, Maik Hendrik (2014): „Egon Bahr und sein Japan-Besuch 1969: Japanische Atomwaffen als ‚Frage des Willens, nicht des Könnens‘?“ In: Fakultät für Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum (Hg.): Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung (BJOAF). München: Iudicium, 36 / 2012, S. 213–247 ⇒ zum Volltext des Jahrbuchs.
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Forschungsgegenstand:
Am Abend des 3. Oktober 2010 strahlte der öffentlich-rechtliche japanische Fernsehsender NHK eine Dokumentation unter dem Titel „Japan, das ‚Atombomben‘ zu besitzen wünschte: die unbekannte Wahrheit über das Land, das zum Opfer von Atombomben wurde“ (‚kaku‘ o motometa Nihon: hibakukoku ga shirarezaru shinjitsu 「核」を求めた日本 - 被爆国が知られざる真実) aus. Im Zentrum des Dokumentarfilms stand eine vom damaligen Ministerialdirektor Egon Bahr (SPD) verfasste, streng geheime „Aufzeichnung“ über ein abendliches Gespräch mit einigen Vertretern der japanischen Seite anlässlich der ersten bundesdeutsch-japanischen Konsultationen der Planungsstäbe beider Außenministerien vom 3. bis 6. Februar 1969 in Japan. Gegenstand dieses Gespräches, so Bahr in seinem exklusiv an den Staatsekretär im Auswärtigen Amt Georg Ferdinand Duckwitz (1904—1973), den Bundesaußenminister Willy Brandt (SPD, 1913—1992) und den Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU, 1904—1988) gerichteten Schreiben, sei die Frage nach einer möglichen bundesdeutschen Unterstützung japanischer Bestrebungen „auf Ebenbürtigkeit als Supermacht“ gewesen. Bahr beschrieb japanische Ausführungen hinsichtlich einer von Japan beabsichtigten Instrumentalisierung des Artikels 9 der japanischen Verfassung als Druckmittel im Verhältnis zu den USA bzw. dessen Tilgung aus dem Verfassungswerk „zu gegebener Zeit“. Er ergänzte sein Protokoll mit Einlassungen seiner Gesprächspartner bezüglich einer denkbaren Herstellung nuklearer Sprengköpfe durch Japan als Folge einer internationalen Sicherheitslage im ost- und südostasiatischen Raum mit 1969 von den japanischen Vertretern des Außenamtes für möglich gehaltener US-amerikanischer Versuche einer nuklearen Absprache mit der VR China.
Bahrs Aufzeichnung, die gleichwohl seit dem Jahr 2000 in der Bundesrepublik in publizierter Form vorliegt, entfaltete einen Tag nach Ausstrahlung der Dokumentation eine besondere politische Wirkung in Japan. Der damalige Außenminister Maehara Seiji 前原誠司 (Demokratische Partei 民主党) ordnete umgehend eine interne Untersuchung seines Ressorts zur Richtigkeit der Bahr-Aufzeichnung an, denn die Inhalte der Dokumentation stellten ein weiteres Mal die Glaubwürdigkeit der 1967 unter der Ägide des Ministerpräsidenten Satô Eisaku 佐藤栄作 (1901—1975) verkündeten und seither als „politisches Prinzip des [japanischen] Staates“ (kokuze 国是) propagierten „Drei Prinzipien der Kernwaffenfreiheit“ (hikaku san-gensoku 非核三原則) – mit ihrer Ablehnung (1) der Herstellung und (2) des Besitzes von Nuklearwaffen durch Japan selbst sowie (3) der Verweigerung ihrer Einfuhr in japanisches Territorium (motazu 持たず, tsukurazu 作らず, mochikomasezu 持ち込ませず) – infrage. Maeharas Parteifreund und Vorgänger im Amt des Außenministers, Okada Katsuya 岡田克也, hatte bereits ein Jahr zuvor eine ähnliche Untersuchung zu sich bestätigenden Vorwürfen japanisch-amerikanischer Geheimabsprachen (mitsuyaku 密約) auf höchster Regierungsebene bezüglich US-amerikanischer Atomwaffen in Japan veranlasst.
Auf der Grundlage historischer Dokumente der Außenämter der Bundesrepublik Deutschland und Japans und unter Berücksichtigung des zeitgenössischen Hintergrunds im Kontext des japanisch-amerikanischen Sicherheitsvertrages (Nichi-Bei anpo jôyaku 日米安保条約), der Verhandlungen über die Rückgabe der Inseln Okinawas an Japan (Okinawa henkan 沖縄返還) sowie japanischer Positionen zum kontrovers diskutierten „Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen“ (NVV/NPT) wird die Bedeutung und tatsächliche Wirkungsmacht der „Drei Prinzipien der Kernwaffenfreiheit“ in den 1960er und frühen 1970er Jahren analysiert. In einem zweiten Untersuchungsschritt wird beleuchtet, welche Motive und Potentiale der Instrumentalisierung im Rahmen innenpolitischer Auseinandersetzungen die außenamtlichen Untersuchungen 2009 und 2010 im Spannungsfeld der zivilen und militärischen Nutzung der Atomenergie veranlassten und leiteten.
(2013)
Zu den Deutsch-Japanischen Beziehungen in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre habe ich bisher folgende Vorträge gehalten:
09.2015 | „Egon Bahr – sein Japanbesuch 1969 und die Frage einer japanischen Atombewaffnung“ bei der OAG, Deutsche Gesellschaft für Natur-und Völkerkunde Ostasiens in Tôkyô. |
11.2014 | 「日本の核武装問題と日独関係―1960年代後半―」,シンポジウム「越境するヒロシマ―ロベルト・ユンクと原爆の記憶」,東京大学ドイツ・ヨーロッパ研究センター [„Das Problem einer Atombewaffnung Japans und die Deutsch-Japanischen Beziehungen — Die zweite Hälfte der 1960er Jahre“ im Rahmen des Symposiums „Hiroshima ohne Grenzen — Robert Jungk und die Erinnerung an die Atombombe“ des Zentrums für Deutschland– und Europastudien der Universität Tôkyô (DESK)]. |
11.2014 | 「日独外務省政策担当者秘密協議と日本の核武装―エゴン・バールと1969年の日本訪問―」,東京大学ドイツ・ヨーロッパ研究センター(DESK)公開ワークショップ[„Geheimverhandlungen der Planungsstäbe des deutschen und japanischen Außenministeriums und eine japanische Atombewaffnung — Egon Bahr und sein Japanbesuch 1969″ im Rahmen eines Öffentlichen Workshops des Zentrums für Deutschland– und Europastudien der Universität Tôkyô (DESK)]. |
06.2013 | „‚Alte großasiatische Träume leben unter der Oberfläche weiter.‘ — Egon Bahr und eine mögliche japanische Atombewaffnung 1969″ im Rahmen der 21. Tagung der „Initiative zur historischen Japanforschung“ am Asien-Afrika-Institut (Japanologie) der Universität Hamburg. |