Hauptseminar: Mord als politische Manifestation – Das Phänomen des Attentats in der modernen Geschichte Japans
„Es gibt viele Dinge, die es Wert sind dafür zu sterben,
aber keinen, der es Wert wäre, dafür zu töten.“
(Mahatma Gandhi)
Viele Frauen und Männer – nicht ausschließlich in der japanischen Geschichte – waren anderer Meinung. In diesem Hauptseminar sollte durch die Analyse ausgewählter Attentate und Attentatsversuche in der modernen Geschichte Japans der Frage nachgegangen werden, auf welche Weise der Lauf der japanischen Geschichte, die ich nicht als eine willkürliche Folge von untereinander unabhängigen Einzelereignissen verstehe, durch Akte der (physischen) Gewalt in die eine oder andere Richtung beeinflußt werden sollte und letztlich konnte. Insofern wurde unter diesen thematischen Rahmenbedingungen der Begriff des „politischen Mordes“ – bewußt inhaltlich verengend – nur für solche Handlungen gebraucht, die sich gegen Vertreter in- und ausländischer politischer Institutionen richteten, ohne der Frage nachzugehen, ob es auch seitens der japanischen Machthaber in den zu behandelnden Phasen der japanischen Geschichte nach der Öffnung des Landes 1853 (in diesem Kontext dann aber ausschließlich bis 1945) nicht auch Beispiele für staatlich sanktionierten, politischen Mord gab.
In der historischen Analyse konkreter Attentatsplanungen orientierten wir uns methodisch – als Anleihe aus dem Grundregelkanon des Journalismus – an den „7 Ws“ (Wer? Was? Wo? Wann? Wie? Warum? Woher?), um in einem zweiten Schritt die Konsequenzen, die aus den Gewaltakten erwuchsen, auf ihren politischen Impetus hin zu untersuchen.
Inhaltlich gestaltete sich das Seminar folgendermaßen:
♦ bakumatsu (幕末) 1: Schuldvorwurf gegen Ii Naosuke; (井伊直弼, 1815–1860);
♦ bakumatsu 2: Die Folgen der Forderung des Slogans „sonnô jôi“ (尊王攘夷, „Ehret den Kaiser, vertreibt die Barbaren!“) für die in Japan lebenden Ausländer;
♦ 1878: Ôkubo Toshimichi (大久保利通, 1830–1878) als letztes Opfer des Süd-West-Krieges?
♦ 1891: Der Ôtsu-Zwischenfall (大津事件): Der Zarewitsch Nikolaj Romanow und sein „Beschützer“ Tsuda Sanzô; (津田三蔵, 1855–1891);
♦ 1909: Itô Hirobumi (伊藤博文, 1841–1909) und Korea;
♦ 1910: Der Hochverrat japanischer Anarchisten;
♦ 1921: Hara Takashi (原敬, 1856–1921) und der japanische Liberalismus;
♦ 1923/1925: Nanba Daisuke (難波大助, 1899–1924), Boku Retsu (朴烈, korean.: Park Yol, 1902–1974) und Kaneko Fumiko (金子文子, 1903–1926);
♦ 1932: 1. Putschversuch der jungen Offiziere;
♦ 1936: Die Shôwa-Restauration (Shôwa ishin 昭和維新) und ihre Folgen;
♦ 1960: Der Tod des Sozialisten Asanuma Inejirô (浅沼稲次郎, 1898–1960);
♦ Eine Variante des Terrorismus: Die japanische Rote-Armee-Fraktion;
♦ 1989: Motoshima Hitoshi (本島等, geb. 1922) und die Kriegsschuldfrage;
(Wintersemester 2002/03)