Im Rahmen des vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan initialisierten Reformprozesses der Vereinten Nationen löste der UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) 2006 die seit 1946 bestehende UN-Menschenrechtskommission (United Nations Commission on Human Rights, kurz: UNCHR) ab. Neben einer Verkleinerung der Zahl der Ratsmitglieder von 53 auf 47 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurde zudem ein neues Instrumentarium zur Untersuchung der weltweiten Menschenrechtssituation geschaffen: die sogenannte „Universelle Periodische Überprüfung“ (Universal Periodic Review, kurz: UPR) der mit den Menschenrechten in Zusammenhang stehenden Lage in allen 193 Mitgliedstaaten. Alle 4 Jahre haben sich die Mitglieder der Vereinten Nationen einem mehrstufigen, höchst institutionalisierten Prozess zur Überprüfung der Menschenrechtssituation ihres Landes zu unterziehen. Im Oktober 2012 war es Japan, das sich zum zweiten Mal diesem Verfahren zu stellen hatte.
Die Auswahl der zu evaluierenden Staaten jeder der alle 4 Jahre turnusmäßig zur Überprüfung vorgesehenen Gruppen folgt dabei dem Grundsatz der ausgewogenen geographischen Verteilung, innerhalb einer Gruppe dann alphabetisch. Als Diskussionsgrundlage zur Beurteilung der Menschenrechtslage eines Mitgliedsstaates durch eine speziell mit der „Universellen Periodischen Überprüfung“ befaßten Arbeitsgruppe des UNHCR dienen zunächst mehrere Berichte, die im voraus dem UNHRC vorzulegen sind: (1) ein Bericht der Regierung des zu überprüfenden Staates, (2) ein vom „Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte“, als der die Arbeit des UNHCR unterstützenden Institution, vorzubereitender Bericht mit der UN vorliegenden, länderspezifischen Informationen und (3) eine Zusammenfassung der Berichte sogenannter „stakeholder“ des Staates, also vornehmlich mit Menschenrechtsfragen befasster zivilgesellschaftlicher Organisationen, mithin von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber ebenso von nationalen Menschenrechtsinstitutionen (NHRIs), als eine bemerkenswerte Neuheit im System der UPR. Eine „Troika“, bestehend aus den Vertretern dreier Mitgliedsstaaten der Arbeitsgruppe – im japanischen Fall 2012: Bangladesch, Libyen und Peru -, fungiert als Berichterstatter und bereitet den Abschlußbericht der Arbeitsgruppe vor. Die am Verfahren beteiligten Staaten haben dann die Gelegenheit, vorbereitend Fragen über die „Troika“ an den zu untersuchenden Staat zu richten. Vor der Überprüfung Japans am 31. Oktober 2012 machten von dieser Möglichkeit die Bundesrepublik, die Niederlande, Spanien, Mexiko, Großbritannien, die Tschechische Republik, Ungarn und Slowenien Gebrauch.
In einem weiteren Verfahrensschritt werden in einer Sitzung der Arbeitsgruppe nach einer Präsentation der Delegation des zu überprüfenden Staates in einem sogenannten „interaktiven Dialog“ weitere Fragen, Lob und Kritik ausgetauscht. Ohne eine hierarchische Ordnung werden zudem Empfehlungen der Mitgliedsstaaten protokolliert und dem Bericht der Arbeitsgruppe – als individuelle Vorschläge der Mitgliedsstaaten, nicht als Beschluß der Arbeitspruppe – hinzugefügt. Das zu untersuchende Land erhält dann abschließend die Möglichkeit, auf die Empfehlungen zu reagieren. Die japanische Delegation unter Leitung des Botschafters Ueda Hideaki 上田秀明人権人道担当大使, Beauftragter des japanischen Außenministeriums für Menschenrechte und humanitäre Fragen, erklärte, dass die japanische Regierung auf den am 2. November von der Arbeitsgruppe angenommenen Bericht zur Menschenrechtslage in Japan bis zur nächsten Sitzungsperiode des UNHRC im März 2013 reagieren werde. Mit dem Hinzufügen dieser Reaktion endete dann die zweite „Universelle Periodische Überprüfung“ Japans.
Hinsichtlich der Menschenrechtslage in Japan wurden insgesamt 174 Empfehlungen ausgesprochen, die sich teils ergänzen, teils überschneiden. Angesichts der Fülle der diskutierten Themen kann hier nur eine Auswahl referiert werden. Eine Zusammenfassung der gesamten Überprüfung findet sich auf der entsprechenden Seite des UNHRC. Empfohlen wurden u.a.:
(in Klammern jeweils das empfehlende Land)
- die Wiederaufnahme eines Moratoriums der Vollstreckung und schließlich die Abschaffung der Todesstrafe sowie das Anstoßen einer öffentlichen Diskussion im Kontext des Endes einer als „Moratorium“ verstandenen Aussetzung von Vollstreckungen seit 2010 und 7 Hinrichtungen im Jahr 2012 (Italien, Namibia, Argentinien, Australien, Mexiko, Deutschland, Frankreich, Finnland, Norwegen, Portugal, Slowenien, Spanien, Schweiz); die Achtung von Rechten der zum Tode Verurteilten (Belgien, Italien, Ungarn u.a.);
- die Abschaffung bzw. Modifizierung des „Polizeigewahrsams“ (daiyô kangoku 代用監獄), der es der Polizei gestattet, Verdächtige zunächst 72 Stunden und anschließend bis zu 10 Tage und ggfs. einer Verlängerung von weiteren 10 Tagen (Gesamtlänge: maximal 23 Tage) nicht in Untersuchungsgefängnissen, sondern in Einrichtungen der Polizei festzuhalten, um ein Geständnis zu erwirken (Deutschland, Norwegen, Frankreich, Schweiz); der unverzügliche Zugang zu einem Rechtsbeistand bei Verhören (Tschechien);
- die Fortsetzung der Bemühungen zur Schaffung einer unabhängigen nationalen Menschenrechtsinstitution (Nepal, Nicaragua, Tunesien, Ukraine, Großbritannien, Benin, Burkina Faso, Frankreich, Indonesien, Jordanien, Malaysia, Mexiko u.a.)
- die Verhinderung jeder direkten oder indirekten Form der Diskriminierung aufgrund des Alters, Geschlechts, der Religion, der sexuellen Orientierung, der ethnischen Herkunft oder Staatsangehörigkeit (Norwegen, Kuba, Tschechien, Palästina u.a.), hier vor allem der Koreaner (Südkorea);
- die Verstärkung der Bemühungen zur Gleichstellung der Geschlechter (Nicaragua, Libyen, Kuba, China, Armenien, Spanien, Trinidad und Tobago, Vietnam u.a.); die Ermöglichung einer größeren Rolle von Frauen in der Gesellschaft (Kuwait); die Anhebung des gesetzlichen Heiratsalters für Frauen – wie bei Männern schon vorgeschrieben – von 16 auf 18 Jahre (Frankreich, Spanien); die Ergreifung weiterer Schritte zur Schaffung eines öffentlichen Bewusstseins zur Beseitigung von Gender-Stereotypen (Thailand); das Recht auf Beibehaltung des vorehelichen Familiennamens verheirateter Frauen (Spanien);
- die Gleichstellung von außerehelich geborenen Kindern hinsichtlich der Erlangung der Staatsbürgerschaft, des Erbrechts und der Geburtenregistrierung (Mexiko, Botswana, Uruguay, Slowenien u.a.);
- die Anerkennung der rechtlichen Verantwortung für die Zwangsprostituierten in der Kriegszeit und das Ergreifen angemessener Maßnahmen, die für die Opfer akzeptabel sind (Südkorea); Schadensersatzzahlungen an diese (China);
- der Schutz von Migranten und ausländischen Arbeitnehmern (migrant workers) in Japan (Tunesien, Iran, Myanmar, Nepal, Portugal);
- die Integration von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender (USA, Argentinien);
- hinsichtlich internationaler Verträge und Übereinkommen: die Ratifizierung des “Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights” mit dem Ziel der Abschaffung der Todesstrafe (Ruanda, Schweiz); der Beitritt zum „Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ (Australien, Tschechien), die Unterzeichnung des „Optional Protocol to the International Covenant of Economic, Social and Cultural Rights“ als Beschwerdemechanismus im Rahmen des „Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (Portugal); die Ratifizierung des „Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ (Slowenien, Spanien, Indien, Kuwait, Irak), die ausstehende Ratifizierung der „Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen“ (Argentinien, Chile, Ruanda, Indonesien, Philippinen); die Ratifizierung verschiedener „Palermo Protokolle“ zur Verhinderung und Bestrafung von Menschenhandel (Philippinen, Indien, Frankreich); der Abschluss des Ratifizierungsverfahrens des „Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung“ (Kanada, Slowakei, Irland, Italien);
Im April 2013 wird die Bundesrepublik Deutschland übrigens ein zweites Mal der „Universellen Periodischen Überprüfung“ unterzogen werden. Auch deren Ergebnisse dürften nicht nur von Vertretern der beteiligten Nichtregierungsorganisationen mit Spannung erwartet werden.