Eine runde Sache – das „Schriftzeichen des Jahres“ 2013

Seit 1995 wird es in Japan ermit­telt – das chi­ne­si­sche „Schrift­zei­chen des Jah­res“ (koto­shi no kan­ji 今年の漢字). Als gemein­nüt­zi­ge Stif­tung wirbt die „Japa­ni­sche Gesell­schaft zur Über­prü­fung der kan­ji-Fähig­keit“ (Nihon kan­ji nôryo­ku ken­tei kyô­kai 日本漢字能力検定協会) jähr­lich Vor­schlä­ge für ein chi­ne­si­sches Schrift­zei­chen (kan­ji 漢字) ein, des­sen Bedeu­tung die Ent­wick­lun­gen eines Jah­res am bes­ten wider­spie­ge­le. Die Gesell­schaft hat ihren Sitz in Kyô­to und grün­det ihre Tätig­keit auf drei Säu­len: (1) der Stei­ge­rung des öffent­li­chen Bewußt­seins für die Bedeu­tung chi­ne­si­scher Schrift­zei­chen in der japa­ni­schen Spra­che, (2) der For­schung zur kan­ji-Kul­tur und zum Japa­ni­schen und (3) der Stei­ge­rung der Fähig­keit in der Ver­wen­dung chi­ne­si­scher Schrift­zei­chen. Zur Popu­la­ri­sie­rung chi­ne­si­scher Schrift­zei­chen wird nun­mehr seit 1995 an jedem 12. Dezem­ber, dem von der Gesell­schaft pro­kla­mier­ten „Tag des chi­ne­si­schen Schrift­zei­chens“ (kan­ji no hi 漢字の日), in einer medi­en­wirk­sa­men Zere­mo­nie am Kiyomizu-dera (清水寺), einem der belieb­tes­ten bud­dhis­ti­schen Tem­pel Kyô­tos, die jähr­li­che Wahl ver­kün­det. Dazu kal­li­gra­phiert der Vor­stand (kan­su / kan­ju 貫主) des Tem­pels, Mori Sei­han 森清範, groß­flä­chig die Aus­wahl des Jah­res. Die­se Kal­li­gra­phien wie­der­um wer­den im Muse­um der Gesell­schaft (kan­ji shiryô­kan 漢字資料館) gesam­melt und aus­ge­stellt. Mit dem „Tag des chi­ne­si­schen Schrift­zei­chens“ sol­le das Inter­es­se an kan­ji ver­tieft und eine Gele­gen­heit geschaf­fen wer­den, über die tief­grün­di­ge Bedeu­tung der Schrift­zei­chen, die den Kern der japa­ni­schen Spra­che dar­stell­ten, zu ler­nen. Außer­dem wol­le man gene­rell das Ver­ständ­nis für die japa­ni­sche Kul­tur ver­tie­fen. Die Aus­wahl jenes kon­kre­ten Datums eines „Tages des chi­ne­si­schen Schrift­zei­chens“ ihrer­seits, also des 12.12., erfolg­te gemäß einer Eigen­art in Japan, sich Zah­len über deren Lesung mit­tels einer „Esels­brü­cke“ mer­ken zu kön­nen und zugleich einen der Zah­len­aus­wahl Sinn geben­den Gehalt zu trans­por­tie­ren (goroa­wa­se 語呂合わせ):

1 – 2 – 1 – 2 = いい字一字 = „ii ji ichi­ji“ als Mot­to des Tages, mit dem der Wunsch aus­ge­drückt wird, sich (min­des­tens) „ein Zei­chen, ein schö­nes Zei­chen“ pro Jahr zu merken;

Für das Jahr 2013 wähl­te man das Zei­chen (rin / wa) mit der Bedeu­tung „Ring“, „Rad“ bzw. etwas „Run­des“. Die erfolg­rei­che Bewer­bung Tôkyôs um die Olym­pi­schen Som­mer­spie­le 2020, aber auch die Auf­nah­me des Ber­ges Fuji und der ihn umge­ben­den Orte in die Lis­te des Welt­kul­tur­er­bes sei­tens der UNESCO und die Qua­li­fi­zie­rung der japa­ni­schen Mann­schaft für die Fuß­ball­welt­meis­ter­schaft 2014 hät­ten gezeigt, daß man durch ein Zusam­men­ste­hen, durch „Team­work“, etwas errei­chen kön­ne. Glei­ches gel­te für die Bewoh­ner der Tôhoku-Region, also des Nord­os­tens Japans, mit deren Unter­stüt­zung die Tôho­ku Raku­ten Gol­den Eagles (東北楽天ゴールデンイーグルス) erst­mals in ihrer Ver­eins­ge­schich­te im Jahr 2013 in der japa­ni­schen Base­ball­li­ga den Meis­ter­ti­tel errin­gen konn­ten. Außer­dem habe man die Fol­gen der zahl­rei­chen Natur­ka­ta­stro­phen, die 2013 das Land heim­such­ten, dadurch über­win­den kön­ne, daß man zusam­men­ge­stan­den habe. Das Schrift­zei­chen doku­men­tie­re zudem auch eine grenz­über­schrei­ten­de Soli­da­ri­tät, wie sie sich bei­spiels­wei­se in der Ent­sen­dung des bis­her größ­ten Kon­tin­gen­tes der japa­ni­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräf­te auf die Phil­ip­pi­nen zu Rettungs- und Hilfs­ak­tio­nen im Zuge der durch den Tai­fun Hai­yan ver­ur­sach­ten Zer­stö­run­gen äußere.

Gol­den hin­ge­gen erschien das Jahr 2012. Mit der Aus­wahl des Zei­chens (kin – kon / kane – kana) mit der Bedeu­tung „Geld“, „Gold“, „gold­far­ben“, „(Edel-)Metall“ wur­de die­ses kan­ji zum bis­her ein­zi­gen, das bereits ein zwei­tes Mal die Ereig­nis­se eines Jah­res reprä­sen­tiert. In vie­ler­lei Berei­chen sei­en monu­men­ta­le Wer­ke (kin­ji­tô 金字塔) errich­tet bzw. erreicht wor­den: ein wah­rer Medail­len­re­gen für die japa­ni­sche Natio­nal­mann­schaft wäh­rend der Olym­pi­schen Spie­le in Lon­don mit ihrem bis­her bes­ten Ergeb­nis, die Fer­tig­stel­lung eines wirk­li­chen Monu­men­tal­baus, des Tôkyô Sky­tree als dem mit 634 Metern höchs­ten frei­ste­hen­den Fern­seh­turm der Welt, aber auch die Ver­lei­hung des Nobel­prei­ses für Medi­zin an den Stamm­zel­len­for­scher Yama­na­ka Shin’ya 山中伸弥. Nach 932 Jah­ren war erst­mals wie­der in wei­ten Tei­len Japans eine ring­för­mi­ge Son­nen­fins­ter­nis (kin­kan nissho­ku 金環日食) zu beob­ach­ten. Zudem haben im Juni der Tran­sit der Venus (kins­ei 金星) vor der Son­ne und im August des Jah­res die Venus­ver­de­ckung durch den Mond (kins­eis­ho­ku 金星食) für beson­de­re Auf­merk­sam­keit gesorgt. Mit Betrugs­fäl­len bei der Ver­wal­tung der Ren­ten­fonds eini­ger Unter­neh­men, der Dis­kus­sio­nen über die Erhö­hung der Mehr­wert­steu­er, einer stei­gen­den Zahl von Fäl­len unrecht­mä­ßi­gen Emp­fangs staat­li­cher Für­sor­ge­leis­tun­gen und den Ver­hand­lun­gen über die Ver­wen­dung der Auf­bau­hil­fe nach dem schwe­ren Erd­be­ben im Osten Japans und sei­nen weit­rei­chen­den Fol­gen 2011 blieb gene­rell „Geld“ dar­über hin­aus ein vor­herr­schen­der Aspekt im Bereich der Poli­tik und Wirt­schaft Japans.

Hier eine Über­sicht der ande­ren, zwi­schen 1995 und 2011 bekannt­ge­ge­be­nen „kan­ji des Jah­res“ und der Begrün­dung ihrer Wahl, die zu einem klei­nen „Aus­flug“ in die jüngs­te japa­ni­sche Geschich­te einen will­kom­me­nen Anlass gibt:

  • 1995: 震 (shin / furu[-u, ‑eru]) – Zit­tern: Das Hanshin-Awaji-Erdbeben (Hans­hin・Awa­ji dais­hin­sai 阪神・淡路大震災) im Janu­ar und der Anschlag mit dem che­mi­schen Kampf­stoff Salin auf die U‑Bahn in Tôkyô durch die neue Reli­gi­on „Ômu shin­rikyô“ (Ômu shin­rikyô no chi­ka­tetsu sarin jiken オウム真理教の地下鉄サリン事件) im März lie­ßen die­ses Jahr „erzit­tern“.
  • 1996: 食 (sho­ku – ta[-beru]) – Essen: Eine Viel­zahl von Kor­rup­ti­ons­af­fä­ren (osho­ku jiken 汚職事件), in denen Steu­er­gel­der und die Wohl­fahrt aus­ge­nutzt wur­den (in der japa­ni­schen Spra­che: kui­mo­no ni suru 食い物にする), aber auch grund­sätz­li­che Pro­ble­me der Lebens­mit­tel­si­cher­heit schie­nen mit der Aus­brei­tung des Rin­der­wahn­sinns und Ver­un­rei­ni­gun­gen durch Coli­bak­te­ri­en die­ses Jahr zu charakterisieren.
  • 1997:  (tô / tao[-su/-reru]) – Zusam­men­bruch: Das Jahr sei vom Kon­kurs (tôsan 倒産) füh­ren­der Finanz­un­ter­neh­men des Lan­des, wie z.B. der Yamai­chi sho­kens (山一証券), aber auch durch das Besie­gen (tao­su 倒す) star­ker Geg­ner durch die japa­ni­sche Fuß­ball­na­tio­nal­mann­schaft in der Qua­li­fi­ka­ti­on, die dann erst­mals an einer Welt­meis­ter­schaft teil­neh­men konn­te, geprägt wor­den. Daß das Team als Grup­pen­letz­ter dann bereits in der Vor­run­de der Welt­meis­ter­schaft 1998 in Frank­reich aus­schied, steht auf einem ande­ren (Kalender-)Blatt.
  • 1998: (doku) – Gift: Als am 25. Juli des Jah­res in der Prä­fek­tur Waka­ya­ma die Haus­frau Haya­shi Masu­mi 林眞須美 anläss­lich eines Som­mer­fes­tes in ihrer Nach­bar­schaft einen Topf mit japa­ni­schem Cur­ry mit Arsen ver­setz­te (Waka­ya­ma doku­butsu karê jiken 和歌山毒物カレー事件), an des­sen Ver­zehr dann 4 Men­schen star­ben und über 60 wei­te­re Per­so­nen in Kran­ken­häu­ser ein­ge­lie­fert wer­den muss­ten, beherrsch­te dies die Schlag­zei­len japa­ni­scher Medi­en, zumal Haya­shi im Lau­fe des Jah­res dann auch wegen ande­rer Mor­de, um an Gel­der aus Lebens­ver­si­che­run­gen zu kom­men, und Mord­ver­su­che (u.a. an ihrem Ehe­mann) ver­haf­tet wer­den konn­te. Hin­zu kamen Berich­te über wei­te­re Pro­ble­me der Lebens­mit­tel­si­cher­heit, die durch Dioxi­ne und Umwelt-Hormone ver­ur­sacht wurden.
  • 1999: (matsu / sue) – Ende: Wegen des Endes eines Jahr­hun­derts bzw. Jahr­tau­sends wirk­te die­ses Schrift­zei­chen sym­bo­lisch. Nach dem Unfall in der Uran-Wiederaufbereitungsanlage von Tôkai­mu­ra (Tôkai­mu­ra no rin­kai jiko 東海村の臨海事故) am 30. Sep­tem­ber des Jah­res, aber auch durch eine Rei­he von der Poli­zei zu ver­ant­wor­ten­der Skan­da­le fand der zen­tra­le Begriff eines bud­dhis­ti­schen Pes­si­mis­mus vom „Wel­ten­en­de“ (yo mo sue 世も末) wie­der grö­ße­re Ver­wen­dung. Zugleich ver­band man mit der Wahl die­ses Schrift­zei­chens die Hoff­nung auf ein Gedei­hen bzw. Vor­an­kom­men (sue hiro­g­a­ri 末広がり) im fol­gen­den Jahr.
  • 2000: (kin – kon / kane – kana) – Geld, Gold, gold­far­ben, (Edel-)Metall: Vor 2012 schien schon in die­sem Jahr die­ses Schrift­zei­chen wegen der Her­aus­ga­be neu­er 500-Yen-Münzen und 2000-Yen-Scheine beson­ders geeig­net. Zudem hat­te man sich erheb­li­che Fort­schrit­te in der Ver­bes­se­rung der äuße­ren Sicher­heit Japans im ost­asia­ti­schen Kon­text und der gene­rel­len poli­ti­schen Lage auf der korea­ni­schen Halb­in­sel durch direk­te Gesprä­che zwi­schen den bei­den „Kims“, dem süd­ko­rae­ni­schen Staats­prä­si­den­ten Kim Dae-jung 金大中 und dem nord­ko­rea­ni­schen Macht­ha­ber Kim Jong-il 金正日, in der Haupt­stadt Nord­ko­re­as, Pjongjang, zwi­schen dem 13. und 15. Juni 2000 ver­spro­chen. Zugleich schien die­ses Zei­chen beson­ders geeig­net, die japa­ni­schen Medail­len­ge­win­ne bei den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len im aus­tra­li­schen Syd­ney zu würdigen.
  • 2001: 戦 (sen / iku­sa – tataka[u]) – Kampf: Das Jahr sei ein „Jahr des Kamp­fes“ gewe­sen – gegen den Ter­ro­ris­mus wegen der Ereig­nis­se in New York am 11. Sep­tem­ber, gegen BSE, mit der Restruk­tu­rie­rung gro­ßer Unter­neh­men und wach­sen­der Arbeits­lo­sig­keit wegen der Rezes­si­on, gegen star­ke Wider­stän­de einer Struk­tur­re­form der Regie­rung Koi­zu­mi Jun’ichirôs 小泉純一郎 und ein Kampf der Außen­mi­nis­te­rin Tana­ka Maki­ko 田中真紀子 gegen ihren Vize­mi­nis­ter, der zu ihrer Ent­las­sung führ­te. Als posi­ti­ve Erschei­nungs­form des „Kamp­fes“ wer­te­te man den Erfolg des Baseball-Spielers Suzu­ki Ichirô 鈴木一朗 / イチロー in der „Major League“ der USA und den dama­li­gen Welt­re­kord der Marathon-Läuferin Taka­ha­shi Nao­ko (高橋尚子) mit 2:19:46 Stun­den beim Ber­lin Mara­thon im Sep­tem­ber des Jahres.
  • 2002: 帰 (ki / kae[-ru, ‑su]) – Rück­kehr: Die japa­ni­sche Wirt­schaft erreich­te wie­der ihr Niveau vor dem Plat­zen der „Bla­se“. Lie­der und Kin­der­lie­der frü­he­rer Zei­ten erleb­ten ihr Revi­val. Nach 24 Jah­ren besuch­ten erst­mals 5 nach Nord­ko­rea ver­brach­te Ent­füh­rungs­op­fer wie­der ihr Heimatland.
  • 2003: 虎 (ko / tora) – Tiger: Nach 18 Jah­ren sieg­te wie­der das Team der Hans­hin Tigers (阪神タイガース) in der „Cen­tral League“ des japa­ni­schen Profi-Baseballs und ver­mit­tel­te der Nati­on ein Gefühl, daß end­lich etwas gelin­gen kön­ne, stren­ge man sich nur an. Zugleich herrsch­te durch die Ent­sen­dung von Ange­hö­ri­gen der japa­ni­schen Selbst­ver­tei­di­gungs­kräf­te in den Irak , die man als „Gang in die ‚Höh­le des Löwen‘’“ (im Japa­ni­schen: „Höh­le des Tigers“, koketsu ni iru 虎穴に入る) ver­stand, Unsi­cher­heit. Damit set­ze man sich gro­ßen Gefah­ren aus, tre­te also qua­si „dem Tiger auf den Schwanz“ (tora no o o fumu 虎の尾を踏む).
  • 2004: 災 (sai / waza­wai) – Kata­stro­phe: Die schein­ba­re Häu­fung von natür­li­chen (ten­sai 天災) und men­schen­ver­ur­sach­ten (jin­sai 人災) Kata­stro­phen ließ das Jahr als Kata­stro­phen­jahr erschei­nen. Eine Wel­le von zehn Tai­fu­nen traf das Land. Neben einer gro­ßen Anzahl von klei­ne­ren und mit­tel­schwe­ren Erd­be­ben wur­de die Regi­on Chûetsu in der Prä­fek­tur Niiga­ta von einem schwe­ren Beben (Niigata-ken Chûetsu jis­hin 新潟県中越地震), das mehr als 65 Tote for­der­te, getrof­fen. Der Vul­kan Asa­ma 浅間山 an der Gren­ze der Prä­fek­tu­ren Naka­no und Gun­ma, brach nach 21 Jah­ren im Sep­tem­ber des Jah­res erneut aus. Der Som­mer war rekord­ver­däch­tig heiß und ver­ur­sach­te gro­ße Schä­den in der Land­wirt­schaft. Als Fol­ge des mili­tä­ri­schen Enga­ge­ments Japans im Irak wur­den zudem japa­ni­sche Mit­ar­bei­ter zivil­ge­sell­schaft­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen zu Opfern von Ent­füh­run­gen. Im Inland häuf­ten sich außer­dem Mord­fäl­le an Kin­dern. Im Kern­kraft­werk Miha­ma (Miha­ma hat­su­den­sho 美浜発電所) in der Prä­fek­tur Fukui ver­ur­sach­te ein Leck in der Tur­bi­nen­hal­le einen schwe­ren Unfall, bei des­sen Unter­su­chung wei­te­re Sicher­heits­män­gel des Kraft­wer­kes auf­ge­deckt wurden.
  • 2005: 愛 (ai) – Lie­be: Neben der Hoch­zeit der Toch­ter des Ten­nô begeis­ter­ten ande­re Ehe­ver­spre­chen aus der Welt des Sports und der Unter­hal­tung das Land. Der „Boom einer rei­nen Lie­be“ (im Sin­ne von auf­rich­ti­ger, altru­is­ti­scher Lie­be, jun’ai bûmu 純愛ブーム) hielt – abseits einer kal­ku­lie­ren­den, kom­mer­zia­li­sier­ten Form der Lie­be – an und erfass­te die Popu­lär­kul­tur. Gro­ße Erwar­tun­gen rich­te­ten sich auf die Tisch­ten­nis­spie­le­rin Fuku­h­a­ra Ai 福原愛, die Gol­fe­rin Miya­za­to Ai 宮里藍 und die Vol­ley­bal­le­rin Ôto­mo Ai 大友愛. Zugleich wur­de die Fra­ge, ob die Toch­ter des Kron­prin­zen, Aiko 愛子さま, wür­de als weib­li­cher Ten­nô (jos­ei ten­nô 女性天皇) jemals den Thron bestei­gen kön­nen, dis­ku­tiert. Außer­dem erschüt­ter­ten Ver­bre­chen, wie Mor­de an klei­nen Schul­kin­dern und die zuneh­men­de Bru­ta­li­tät in der Jugend­kri­mi­na­li­tät, aber auch der Skan­dal um die gefälsch­ten Nach­wei­se der Erd­be­ben­fes­tig­keit von Apart­ment­häu­sern – Zwi­schen­fäl­le, in denen es an Lie­be gefehlt habe, wie es in der Begrün­dung heißt – die japa­ni­sche Öffentlichkeit.
  • 2006: (mei – myô / ino­chi) – Leben: Ver­schie­de­ne Erschei­nungs­for­men des „Lebens“ kenn­zeich­ne­ten die­ses Jahr: „Gebo­re­nes Leben“ (uma­re­ta ino­chi 生まれた命), hier vor allem die Geburt des Soh­nes des jüngs­ten Soh­nes des Ten­nô, des Prin­zen Aki­shi­no Fum­i­hi­to (Aki­shi­no no miya Fum­i­hi­to shin­nô 秋篠宮文仁親王), mit dem nach 41 jah­ren erst­mals wie­der ein männ­li­ches Kind in die kai­ser­li­che Fami­lie gebo­ren wur­de und dem man den Namen Hisa­hi­to 悠仁親王 gab; „been­de­tes Leben“ (tata­re­ta ino­chi 絶たれた命) mit dem sozia­len Phä­no­men des Frei­tods von Schü­lern und Schü­le­rin­nen, die durch ihre Klas­sen­ka­me­ra­den und ‑kame­ra­din­nen geqü­alt wur­den bzw. von Schul­lei­tern, die ihre Tätig­keit auf­ge­ge­ben hat­ten, um für die Fäl­le von Quä­le­rei­en die Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men; „geraub­tes Leben“ (uba­wa­re­ta ino­chi 奪われた命) mit einer Zunah­me von Unfäl­len unter Alko­hol­ein­fluß und Mor­den durch Miß­hand­lun­gen, aber auch der Fäl­le, in denen Haus­tie­re besei­tigt wur­den; schließ­lich eine „wach­sen­de Unsi­cher­heit des Lebens“ (fuku­ra­mu ino­chi no fuan 膨らむ命の不安) durch die Atom­waf­fen­tests Nord­ko­re­as, die Explo­si­on der Arzt­kos­ten für Älte­re, eine zu gerin­ge Zahl von Ärz­ten und die Pro­ble­ma­tik der Organtransplantation. 
  • 2007: (gi / itsuwa[-ru]) – nise) – Fäl­schung: Fäl­schun­gen des Pro­duk­ti­ons­or­tes, der Inhalts­stof­fe und der Min­dest­halt­bar­keit bei Lebens­mit­teln aller Art sowie von Sou­ve­nirs und von Spei­sen in alt­ein­ge­ses­se­nen Restau­rants, Unre­gel­mä­ßig­kei­ten in den Ren­ten­re­gis­tern, in den Ämtern durch schwar­ze Kas­sen und bei den für poli­ti­sche Akti­vi­tä­ten vor­ge­se­he­nen Geld­mit­teln, bei der Betan­kung US-amerikanischer Kriegs­schif­fe, im Bereich des Sports und in Wirt­schafts­un­ter­neh­men beein­fluß­ten den Blick auf das Jahr 2007.
  • 2008: (hen / ka[-waru, ‑eru]) – Wech­sel, Wan­del, Ver­än­de­rung: Mit der Wahl Barak Oba­mas zum Prä­si­den­ten der USA schien sich ein wirk­li­cher „Chan­ge“ abzu­zeich­nen. Der stän­di­ge Wech­sel japa­ni­scher Minis­ter­prä­si­den­ten nach nur kur­zer Amts­zeit fiel gleich­falls ins Auge. Die Kli­ma­ver­än­de­run­gen aber auch die Finanz­kri­se mit ihren ein­schnei­den­den Stö­run­gen der Welt­wirt­schaft bewirk­ten einen ver­un­si­chern­den Wan­del. Posi­ti­ver wirk­ten die Erfol­ge japa­ni­scher Sport­ler und Sport­le­rin­nen sowie japa­ni­scher Wis­sen­schaft­ler, die für die Zukunft eine posi­ti­ve Ver­än­de­rung erwar­ten ließen.
  • 2009: (shin / atara[-shii] – ara­ta – nii – sara) – Neu­es: Mit dem Regie­rungs­wech­sel von der Libe­ral­de­mo­kra­ti­schen zur Demo­kra­ti­schen Par­tei und einem begin­nen­den inner­ja­pa­ni­schen Reform­pro­zeß in der Ver­wal­tung schien sich eine neue Zeit anzu­kün­di­gen. Glei­ches gilt für die Erwar­tun­gen, die mit dem Amts­an­tritt Barak Oba­mas als US-amerikanischer Prä­si­dent ver­bun­den wur­den. Neue Rekor­de im Bereich des Sports, etwa durch den Base­ball­spie­ler Ichirô, den Leicht­ath­le­ten Usain Bolt oder in Schwimm­wett­be­wer­ben, begeis­ter­ten die japa­ni­sche Öffent­lich­keit. Nega­tiv wirk­te eine neue Form der Grip­pe mit einer gera­de­zu epi­de­mi­schen Aus­brei­tung sowie die dra­ma­ti­schen Neue­run­gen der welt­wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lung. Die Ein­füh­rung des Schöf­fen­sys­tems im japa­ni­schen Rechts­we­sen (saiban’in sei­do 裁判員制度) und ein sich schär­fen­der Blick für öko­lo­gi­sche Fra­gen ihrer­seits wirk­ten neu und positiv.
  • 2010: (sho / atsu[-i]) – Hit­ze: Kenn­zeich­nend für die­ses Jahr war eine gro­ße Som­mer­hit­ze mit ihren Fol­gen für die Gesund­heit der Men­schen mit zahl­rei­chen Pati­en­ten, die Hit­ze­schlä­ge erlit­ten, aber auch mit Fol­gen für die Geld­bör­sen der japa­ni­schen Bevöl­ke­rung wegen gestie­ge­ner Strom­kos­ten durch die dau­er­haf­te und unver­meid­ba­re Nut­zung von Kli­ma­an­la­gen und Ven­ti­la­to­ren. Beein­druckt zeig­te man sich in Japan zudem davon, daß in Chi­le 33 Berg­ar­bei­ter in 700 Meter Tie­fe 70 Tage auch die gro­ße Hit­ze unter Tage bis zu ihrer Ret­tung aus­ge­hal­ten hat­ten. Mit dem erfolg­rei­chen Wie­der­ein­tritt in die Erd­at­mo­sphä­re hat­te zudem die japa­ni­sche Son­de „Hanabusa“ (はなぶさ, = Wan­der­fal­ke) ohne grö­ße­re Schä­den eine Hit­ze von etwa 10.000°C aus­ge­hal­ten und erst­mals Ele­men­tar­teil­chen eines Aste­ro­iden zur wis­sen­schaft­li­chen Unter­su­chung auf der Erde sichern können.
  • 2011: (han – ban / kizu­na – hoda­su) – Band, Ver­bin­dung: Natur- und Umwelt­ka­ta­sto­phen zeig­ten in vie­len Berei­chen, wie wich­tig die Ver­bin­dung mit ande­ren Men­schen ist. Das Erd­be­ben im Osten Japans vom 11. März 2011 brach­te fami­liä­re Ban­de und die Ver­bun­den­heit zum Freun­des­kreis wie­der in Erin­ne­rung und stei­ger­te zugleich die Bedeu­tung sozia­ler Netz­wer­ke (SNS). Zudem kämpf­ten sich trotz des Zusam­men­bruchs der Ver­kehrs­net­ze und lebens­wich­ti­ger Ver­sor­gungs­net­ze Frei­wil­li­ge – aus ganz Japan und der Welt – in das Kata­stro­phen­ge­biet vor, um durch spon­ta­ne Hil­fe ihre Ver­bun­den­heit mit der von den Kata­stro­phen getrof­fe­nen Bevöl­ke­rung zu zei­gen. Die Suche nach und das Bemü­hen um den Erhalt von Part­ner­schaf­ten drück­te sich in der Zunah­me der Ehe­be­ra­tun­gen, aber auch kom­mer­zi­ell in einem wach­sen­den Ver­kauf von Ehe­rin­gen aus.

Vor dem bei sei­nem Amt akkre­di­tier­ten Pres­se­corps erklär­te Minis­ter­prä­si­dent Abe Shin­zô 安倍晋三 am 12. Dezem­ber 2013 noch vor der Ver­kün­dung der tat­säch­li­chen Wahl, sein per­sön­li­cher Favo­rit für das „Schrift­zei­chen des Jah­res“ sei „yume“ – 夢 – der „Traum“. Mit der erfolg­rei­chen Bewer­bung um die Olym­pi­schen Som­mer­spie­le 2020 habe sich gezeigt, daß sich ein Traum ver­wirk­li­che, wenn alle sich anstreng­ten. Dar­über hin­aus hät­te auch sei­ne Wirt­schafts­po­li­tik, die unter dem Namen „Abe­no­mics“ welt­weit Auf­se­hen erregt, ihr Ziel erreicht. Die Akti­en­prei­se stie­gen und im Ver­gleich zu 2012 habe sich die Atmo­sphä­re ver­än­dert. Man dür­fe für das Fol­ge­jahr wei­te­re Erfol­ge erwarten.

Hat­te er 2006, in sei­ner ers­ten Amts­zeit als Minis­ter­prä­si­dent, die Fra­ge nach sei­nem per­sön­li­chen „kan­ji des Jah­res“ noch mit einer Kom­bi­na­ti­on aus zwei chi­ne­si­schen Schrift­zei­chen, zunächst der für „Wan­del“ (hen­ka 変化) und dann auf Nach­fra­ge, ob er das auch in einem Schrift­zei­chen aus­drü­cken kön­ne, mit der für „Ver­ant­wor­tung“ (seki­nin 責任) beant­wor­tet, beschränk­te er sich 2013 tat­säch­lich nur auf ein chi­ne­si­sches Schrift­zei­chen. Es ist ihm und der japa­ni­schen Bevöl­ke­rung zu wün­schen, daß sich die mit die­sem Zei­chen ver­bun­de­nen Wün­sche auf eine anhal­ten­de sta­bi­le wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung erfül­len und nicht wie Sei­fen­bla­sen zer­plat­zen. Aber nach einem per­sön­lich als schwie­rig emp­fun­de­nen Jahr 2013 möch­te ich uns allen ohne Arg die Erfül­lung unse­rer Träu­me – zumin­dest sol­cher, die nicht auf Kos­ten ande­rer, wohl aber unab­hän­gig davon, in wel­chem Bereich und in wel­chem Teil der Erde sie geträumt wer­den – wünschen.

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