Seminar: Heimatfront – Die japanische Gesellschaft im Asiatisch-Pazifischen Krieg (1931/37–1945)
Thematische Einführung:
Die„Wissenschaft vom Krieg“ oder „Polémologie“ erhielt in Abgrenzung zum Verständnis des Krieges als Ereignis einer „noch nicht oder ungenügend vollzogene Modernisierung“ bzw. als „Ausdruck von Ungleichzeitigkeiten zwischen politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und technologischen Modernisierungsprozessen“ durch den Ansatz, „Krieg in der Moderne zu denken“, folglich also die „Modernität des Krieges“ als Ausdruck seiner, die moderne Gesellschaftlichkeit konstituierende Eigenschaft in den Mittelpunkt wissenschaftlicher Analysen zu stellen, ihren besonderen Charakter. In diesem Kontext hat in der historischen Forschung allgemein die Fragestellung nach den ökonomischen, politischen und sozialen Mobilisierungstendenzen, der Fähigkeit zur und der Effektivität von Mobilisierung eines Gemeinwesens im Krieg auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene und deren über das Kriegsende hinausreichenden Wirkungen an Bedeutung gewonnen.
In Analogie zu den modernisierungstheoriekritischen Überlegungen zum Krieg als Ursache gesellschaftlicher Konstitutionsprozesse wurde die normativ überzogene Kennzeichnung und Kritik an der historischen Entwicklungen im japanischen Gemeinwesen zur Zeit des Asiatisch-Pazifischen Krieges als Fehlentwicklung in einer ansonsten auf Demokratisierung und Liberalisierung abzielenden Entwicklung spätestens seit den 1980er Jahren in der der japanischen Geschichtswissenschaft und der außerjapanischen Japanforschung weitgehend überwunden. Vielmehr wird inzwischen mehrheitlich anerkannt, die Ereignisse im Japan des 20. Jahrhunderts als kontinuierliche historische Einheit zu verstehen. Die Interpretation der Kriegszeit als Zeitraum der Simultanität technischen Fortschritts und politisch-kultureller Rückständigkeit, in der eine (westliche) Moderne „überwunden“ werden sollte, tritt zutreffend mehr und mehr in den Hintergrund. Gleichermaßen unumstritten scheint inzwischen zu sein, dass das japanische Volk in der Heterogenität seiner Interessen nicht ausschließlich von einer Allianz des Militärs mit einem großen Teil der politischen Herrschaftselite zu einem Krieg verführt wurde. Vielmehr ist bereits seit den 1960er Jahren die aktive Beteiligung des „einfachen Japaners“ „von unten“ am Krieg sowie an den Transformationsprozessen der 1930er und 1940er Jahre Gegenstand der japanischen Historiographie.
Mithin wurde in dieser Lehrveranstaltung der Frage nachgegangen, wie sich unter dem Gesichtspunkt des Krieges als ein modernes Element die japanische Gesellschaft zwischen 1931 und 1945 veränderte, welchen Transformationsprozessen sie unterworfen war und inwieweit sich diese Faktoren als nachhaltig erwiesen.
Die Veranstaltung gliederte sich folgendermaßen:
- Krieg in der Moderne denken.
- Die „Bewegung zur Generalmobilmachung des nationalen Geistes“ (kokumin seishin sôdôin undô 国民精神総動員運動) – „Die Grundlagen unseres Staatskörpers“ (Waga kokutai no hongi 我が国体の本義) & „Der Weg des Untertanen“ (Shinmin no michi 臣民の道).
- Die administrativen Elemente im „Dunklen Tal“ (kurai tanima 暗い谷間): Das „neue System“ (shin-taisei 新体制) & die „Gesellschaft zur Stärkung der Kaiserherrschaft“ (Taisei yokusankai 大政翼賛会).
- Der „Sozialstaat“ – Von Arbeitslosen, Frauen & Kinder, Witwen & Waisen.
- (1) Studenten. (2) Selbstorganisation – die „Nachbarschaftsgruppen“ (tonarigumi 隣組).
- Bombenkrieg und Luftschutz / Die Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki.
- Wirtschaft: Reorganisation der Wirtschaft & Lebensmittelverwaltung.
- Die „Überwindung der Moderne“ (kindai no chôkoku 近代の超克), 1942.
- Den Krieg nach Kapitulation und Niederlage erinnern.
- Eine japanische Spielart des Faschismus?
(Wintersemester 2015/16)