Seitdem am 14. April die südlichste der vier japanischen Hauptinseln, Kyûshû, mit der Präfektur Kumamoto im Fokus von einem schweren Erdbeben getroffen wurde, dem seither in einer ununterbrochenen Kette zum Teil noch weit schwere „Nachbeben“ folgen, brodelt die Gerüchteküche in den sozialen Netzwerken. Es sind diese – nichts zuletzt psychischen – Ausnahmesituationen, die der Verbreitung von Gerüchten Vorschub leisten, wenn auch die Anonymität des Internets heutzutage dabei inzwischen förderlich sein mag. Manche Gerüchte nehmen dabei gar nicht zwingend in der betroffenen Region ihren Ausgang, sondern werden aus falschverstandenem „Spaß“ andernorts hämisch „komponiert“. Gleichwohl fühlt man sich wie auf einer Zeitreise – in den September 1923 und nach Tôkyô, als Verleumdungen, von der zeitgenössischen Presseberichterstattung flankiert, zu gewaltsamen Ausschreitungen gegen die koreanische Minderheit in der japanischen Hauptstadtregion nach dem schweren Kantô-Erdbeben vom 1. September 1923 (Kantô daishinsai, 関東大震災) führten. Ähnlich üble Gerüchte, japanisch デマ (dema, von: Demagogie), wie damals werden jetzt gerade, in dem Moment, in dem dieser kurze Beitrag entsteht, im Kontext des Kumamoto-Erdbebens über den Kurznachrichtendienst Twitter in stattlicher Zahl verbreitet: Weiterlesen
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Am 26. Juni 2013 habe ich am Ostasiatischen Institut (Japanologie) der Universität Leipzig einen Vortrag mit dem Titel „Die ‚Nachrichten des Windes‘ (kaze no tayori 風の便り): Zur Wirkung von Gerüchten (uwasa 噂) und Falschmeldungen (ryûgen higo 流言蜚語) in den Erdbebenkatastrophen 1923 und 2011“ gehalten. Dieser Vortrag wurde mitgeschnitten und ist nun auf den Youtube-Channel der Japanologie Leipzig eingestellt worden: Weiterlesen
Im Verlauf des Juni 2013 habe ich zwei Vorträge – zu Egon Bahrs Japan-Besuch 1969 und zu Gerüchten bzw. Falschmeldungen in den Erdbebenkatastrophen 1923 und 2011 – gehalten und meine Aufstellung entsprechend aktualisiert.
Greenpeace hat knapp einen Monat vor dem 2. Jahrestag der Dreifachkatastrophe im Osten Japans einen Bericht über die – nach Meinung dieser Organisation – völlig unzureichende Entschädigungspraxis der Tokyo Electric Power Company (TEPCO) als Betreiber des Kernkraftwerkes Fukushima und zur Verantwortung führender Unternehmen am Reaktorunfall, die allerdings aufgrund der herrschenden Rechtslage nicht in deren Beteiligung an Entschädigungen mündete, veröffentlicht:
- Bericht (japanisch) 『福島原発事故 空白の責任』 (Fukushima genpatsu jiko – kûhaku no sekinin, PDF):
- Zusammenfassung der Berichtinhalte (japanisch):
- Bericht (englisch) „Fukushima Fallout“ (PDF):
- Zusammenfassung der Berichtinhalte (englisch):
Von Interesse in diesem Zusammenhang ist vielleicht, daß TEPCO selbst in verschiedenen Memoranden und Strategiepapieren seit Mitte des vergangenen Jahres etwa den Bedarf einer erheblich höheren finanziellen Unterstützung seitens des japanischen Staates zu begründen versucht, um möglichst schnell die unternehmerische Unabhängigkeit wiedererlangen zu können: z.B. in einem Konzept unter dem Titel „Management-Vorhaben zur Regeneration“ (再生への経営方針 saisei no keiei hôshin) vom 7. November 2012: (PDF in japanischer Sprache).
Die Beteiligung des japanischen Staates an diesen Entschädigungsleistungen erfolgt vorwiegend auf der Grundlage folgender rechtlicher Bestimmungen, deren Titel hier in vergleichsweise freier Übersetzung wiedergegeben werden:
- des „Gesetzes bezüglich der Entschädigung von Kernenergieschäden“ (原子力損害の賠償に関する法律 genshiryoku songai no baishô ni kan suru hôritsu, Link in japanischer Sprache),
- des „Gesetzes bezüglich einer Kompensationsvereinbarung für Schadensersatz bei Kernenergieschäden“ [zwischen dem Staat und Energieunternehmen] (原子力損害賠償補償契約に関する法律 genshiryoku songai baishô hoshô keiyaku ni kan suru hôritsu, Link in japanischer Sprache) und
- des „Gesetzes eines Unterstützungsmechanismus für Schadensersatz bei Kernenergieschäden“ (原子力損害賠償支援機構法 genshiryoku songai baishô shien kikô-hô, Link in japanischer Sprache) mit seiner Anerkennung einer „gesellschaftlichen Verantwortung“ des Staates, die ihrerseits mit dem bisherigen Vorantreiben der Kernenergiepolitk („これまで原子力政策を推進してきたことに伴う社会的な責任を負っていることに鑑み“) begründet wird.
Anfang Juni veröffentlichte die japanische Regierung durch ihr Kabinettsbüro ihr „Weißbuch der Maßnahmen gegen Selbstmord“ (jisatsu taisaku hakusho 自殺対策白書) für das Jahr 2011 (Heisei 23). Dieser Statistik zufolge nahmen sich 2011 30.651 Menschen in Japan das Leben. Im Vergleich zu der statistischen Erhebung des Vorjahres bedeutet dies eine Reduzierung der Freitode um ca. 3,3% (2010: 31.690). Erstmals nach 14 Jahren sei somit die jährliche Anzahl der Selbstmorde in Japan wieder unter 31.000 gesunken. Untersuchungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) belegen, daß Japan unter den acht führenden Industrienationen der Welt hinter Rußland die zweithöchste durchschnittliche Selbstmordrate auf 100.000 Einwohner zu verzeichnen hat.
Was nun aber gegenwärtig der Regierung Sorgen bereitet, ist der sprunghafte Anstieg der Selbstmordfälle im zweiten Quartal 2011. Im April nahmen sich 2711 (2010: 2585), im Mai 3375 (2010: 2782) und im Juni 3037 Menschen (2010: 2780) das Leben. Wurde im vergangenen Jahr noch etwa der Freitod des Erotikmodells (gurabia aidoru グラビアアイドル) und TV-„Sternchens“ Uehara Miyu (上原美優, 1987–2011) am 12.05.2011 dazu herangezogen, die untypisch ansteigende Selbstmordrate im zweiten Quartal 2011 in der Altersgruppe der 20- bis 30-jährigen Frauen zu erklären, steht nunmehr die „Erdbebenkatastrophe im Osten Japans“ (Higashi-Nihon daishinsai 東日本大震災) vom 11.03.2011 im Fokus der Analyse. Weiterlesen