Gemeinsam mit Dr. Tino Schölz organisiere ich ein Panel, das wir während des 16. Deutschsprachigen Japanologentags, der vom 26. bis 28. August 2015 an der Universität München stattfinden wird, mit thematisch ausgewiesenen Kollegen veranstalten werden. Unter dem Titel: „Gewalt und Zivilität – Protestformen im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ werden wir der Leitfrage nachgehen, inwieweit sozialer Protest in Japan – sowohl hinsichtlich der Legitimation als auch der sozialen Praxis – im Verlauf des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Bezug auf Gewalt und Zivilität einem historischen Wandel unterlag.
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Im Oktober 2010 schlugen in Japan die Wellen hoch, als der öffentlich-rechtliche Fernsehsender NHK in einer Dokumentation mit dem Titel „Japan, das ‚Atombomben‘ zu besitzen wünschte: die unbekannte Wahrheit über das Land, das zum Opfer von Atombomben wurde“ (‚kaku‘ o motometa Nihon: hibakukoku ga shirarezaru shinjitsu 「核」を求めた日本 - 被爆国が知られざる真実) ein Memorandum aus dem Jahr 1969 vorstellte, in dem der SPD-Politiker Egon Bahr, damals Leiter des Planungsstabes des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik, über die ersten Konsultationen des Stabes mit seinem Pendant in Tôkyô berichtete und dabei streng vertrauliche Aussagen japanischer Delegationsmitglieder zu der Option einer eigenständigen japanischen Atombewaffnung in dem möglichen japanischen Streben nach dem Status einer „Supermacht“ erwähnte. Nachdem im Kontext der Havarie des Atomkraftwerks Fukushima I unmittelbar nach dem schweren Erdbeben im Osten Japans am 11. März 2011 auf einer japanologischen Mailingliste auf einen Artikel eines japanischen Politikwissenschaftler hingewiesen worden war, der diesen Sachverhalt kritisch beurteilte, war mein Interesse geweckt. Gerade eben konnte ich zu dieser Thematik einen Aufsatz veröffentlichen:
Sprotte, Maik Hendrik (2014): „Egon Bahr und sein Japan-Besuch 1969: Japanische Atomwaffen als ‚Frage des Willens, nicht des Könnens‘?“ In: Fakultät für Ostasienwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum (Hg.): Bochumer Jahrbuch zur Ostasienforschung (BJOAF). München: Iudicium, 36 / 2012, S. 213–247 ⇒ zum Volltext des Jahrbuchs.
Ich habe mein Publikationsverzeichnis entsprechend auf den neuesten Stand gebracht.
Zumindest sind sie offenbar nicht justitiabel. Vor einigen Monaten berichtete ich von einer recht ungewöhnlichen Klage eines Pensionärs, dem die Entwicklung der japanische Sprache nicht völlig gleichgültig ist, gegen den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender NHK. Takahashi Hôji 高橋鵬二 hatte im vergangenen Jahr mit der Behauptung, durch einen zu häufigen Gebrauch englischer Lehnwörter in der japanischen Sprache in Fernsehsendungen des Staatsfernsehens „seelische Qualen“ (seishin-teki kutsû 精神的苦痛) zu erleiden, eine Schadenersatzklage vor dem Landgericht Nagoya (Nagoya chisai 名古屋地裁) angestrengt. Bereits am 12. Juni erging in der Sache das Urteil: Weiterlesen
Im Rahmen des Klaus Zernack Colloquiums und seiner Vortragsreihe „Geschichte im öffentlichen Raum“ am Zentrum für Historische Forschung Berlin der Polnischen Akademie der Wissenschaften hielt am 10. Februar 2014 Prof. Dr. Nishiyama Akiyoshi 西山暁義 von der Kyôritsu Women’s University (Kyôritsu joshi daigaku 共立女子大学) einen Vortrag unter dem Titel „Im Fernosten nichts Neues? Perspektiven transnationaler Geschichtswahrnehmung auf das nationalistische Ostasien“. Dazu war ich als Kommentator eingeladen. Bei Youtube wurde nun eine zweiteilige Zusammenfassung des Vortrags, meines Kommentars und der sich anschließenden Diskussion mit dem Publikum eingestellt: Weiterlesen
Seit 1995 wird es in Japan ermittelt – das chinesische „Schriftzeichen des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字). Als gemeinnützige Stiftung wirbt die „Japanische Gesellschaft zur Überprüfung der kanji-Fähigkeit“ (Nihon kanji nôryoku kentei kyôkai 日本漢字能力検定協会) jährlich Vorschläge für ein chinesisches Schriftzeichen (kanji 漢字) ein, dessen Bedeutung die Entwicklungen eines Jahres am besten widerspiegele. Die Gesellschaft hat ihren Sitz in Kyôto und gründet ihre Tätigkeit auf drei Säulen: (1) der Steigerung des öffentlichen Bewußtseins für die Bedeutung chinesischer Schriftzeichen in der japanischen Sprache, (2) der Forschung zur kanji-Kultur und zum Japanischen und (3) der Steigerung der Fähigkeit in der Verwendung chinesischer Schriftzeichen. Zur Popularisierung chinesischer Schriftzeichen wird nunmehr seit 1995 an jedem 12. Dezember, dem von der Gesellschaft proklamierten „Tag des chinesischen Schriftzeichens“ (kanji no hi 漢字の日), in einer medienwirksamen Zeremonie am Kiyomizu-dera (清水寺), einem der beliebtesten buddhistischen Tempel Kyôtos, die jährliche Wahl verkündet. Dazu kalligraphiert der Vorstand (kansu / kanju 貫主) des Tempels, Mori Seihan 森清範, großflächig die Auswahl des Jahres. Diese Kalligraphien wiederum werden im Museum der Gesellschaft (kanji shiryôkan 漢字資料館) gesammelt und ausgestellt. Mit dem „Tag des chinesischen Schriftzeichens“ solle das Interesse an kanji vertieft und eine Gelegenheit geschaffen werden, über die tiefgründige Bedeutung der Schriftzeichen, die den Kern der japanischen Sprache darstellten, zu lernen. Außerdem wolle man generell das Verständnis für die japanische Kultur vertiefen. Die Auswahl jenes konkreten Datums eines „Tages des chinesischen Schriftzeichens“ ihrerseits, also des 12.12., erfolgte gemäß einer Eigenart in Japan, sich Zahlen über deren Lesung mittels einer „Eselsbrücke“ merken zu können und zugleich einen der Zahlenauswahl Sinn gebenden Gehalt zu transportieren (goroawase 語呂合わせ):
1 – 2 – 1 – 2 = いい字一字 = „ii ji ichiji“ als Motto des Tages, mit dem der Wunsch ausgedrückt wird, sich (mindestens) „ein Zeichen, ein schönes Zeichen“ pro Jahr zu merken;
Für das Jahr 2013 wählte man das Zeichen 輪 (rin / wa) mit der Bedeutung „Ring“, „Rad“ bzw. etwas „Rundes“. Die erfolgreiche Bewerbung Tôkyôs um die Olympischen Sommerspiele 2020, aber auch die Aufnahme des Berges Fuji und der ihn umgebenden Orte in die Liste des Weltkulturerbes seitens der UNESCO und die Qualifizierung der japanischen Mannschaft für die Fußballweltmeisterschaft 2014 hätten gezeigt, daß man durch ein Zusammenstehen, durch „Teamwork“, etwas erreichen könne. Gleiches gelte für die Bewohner der Tôhoku-Region, also des Nordostens Japans, mit deren Unterstützung die Tôhoku Rakuten Golden Eagles (東北楽天ゴールデンイーグルス) erstmals in ihrer Vereinsgeschichte im Jahr 2013 in der japanischen Baseballliga den Meistertitel erringen konnten. Außerdem habe man die Folgen der zahlreichen Naturkatastrophen, die 2013 das Land heimsuchten, dadurch überwinden könne, daß man zusammengestanden habe. Das Schriftzeichen dokumentiere zudem auch eine grenzüberschreitende Solidarität, wie sie sich beispielsweise in der Entsendung des bisher größten Kontingentes der japanischen Selbstverteidigungskräfte auf die Philippinen zu Rettungs- und Hilfsaktionen im Zuge der durch den Taifun Haiyan verursachten Zerstörungen äußere. Weiterlesen
Er kenne kein anderes Land der Erde, in dem man so respektlos mit der eigenen Sprache umgehe. Mit dieser Einschätzung wurde Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) bereits im Jahr 2010 zitiert, als er in seinem Ressort den Anglizismen in der deutschen Sprache den Kampf ansagte. Ein „Flipchart“ seines Hauses wurde so offenbar wieder zum „Tafelschreibblock“, ein „Meeting“ zu einer „Besprechung“ und ein „Laptop“ zum „Klapprechner“. Da bekanntlich nur der stete Tropfen den Stein höhlt, dauerte es noch drei Jahre, bis auch die Deutsche Bahn 2013 erklärte, nunmehr diesem Vorbild folgen zu wollen, in dem man zur Pflege der deutschen Sprache künftig Anglizismen – soweit möglich – vermeiden wolle. Wenn es dann auch bedauerlich scheint, statt auf den für „kiss & ride“ vorgesehenen Parkplätzen doch möglicherweise zukünftig nur wieder in der „Kurzzeitparkzone“ Abschied nehmen zu können, mag dieses Vorgehen begrenzt die Kommunikation in der Gesellschaft über die Generationengrenzen hinweg erleichtern. Dem Bundesminister sei dennoch eine Reise nach Japan empfohlen, denn so könnte er jenseits seiner auf den nationalen Bereich beschränkten Sichtweise vielleicht ein weiteres „Land der Erde“ kennenlernen, in dem er sprachlich Begeisterte treffen könnte, die seine Ansichten hinsichtlich der Respektlosigkeit des sprachlichen Umgangs nahezu deckungsgleich zu teilen scheinen und gleichermaßen die sprachliche Entwicklung ihres Landes kritisieren.
Im Sommer 2013 war beispielsweise auch für den 71-jährigen Takahashi Hôji 高橋鵬二 eine Grenze überschritten. Als Verantwortlicher eines „Vereins, der die japanische Sprache hochschätzt“ (Nihongo o taisetsu ni suru kai 日本語を大切にする会) reichte der in der Stadt Kani in der Präfektur Gifu 岐阜県可児市 ansässige ehemalige Beamte über seinen Anwalt eine Schadenersatzklage beim Landgericht Nagoya (Nagoya chisai 名古屋地裁) gegen die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt NHK (Nihon hôsô kyôkai 日本放送協会) ein. Anlaß seiner Klage waren „seelische Qualen“ (seishin-teki kutsû 精神的苦痛), die durch den übermäßigen Gebrauch von Lehnwörtern, vornehmlich englischer Provenienz, in Sendungen des öffentlichen rechtlichen Fernsehens verursacht worden sein sollen. Inhaltlich wandte er sich gegen den „widerrechtlichen Gebrauch“ von Lehnwörtern in Fernsehsendungen, selbst dann, wenn dieser völlig unnötig sei. Mögen junge Menschen auch diese Fremdwörter verstehen, könnte eine ältere Person Begriffe wie etwa アスリート (asurîto, = athlete, = Athlet) oder コンプライアンス (konpuraiansu, = compliance, = Einwilligung, Konformität, Übereinstimmung, Ordnungsmäßigkeit) inhaltlich nicht erfassen. Der übermäßige Gebrauch von Fremdsprachen führe bei Personen, die diesem gegenüber ein Unwohlsein empfänden, zu unnötigen seelischen Qualen und stelle somit ein „Delikt“ (fuhô kôi 不法行為) gemäß § 709 des japanischen Bürgerlichen Gesetzbuches (minpô dai-709-jô 民法第709条) dar. Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender wie NHK sei aber zu einer allseits verständlichen Ausdrucksweise verpflichtet. Nachdem die Beantwortung eines Schreibens zum Gebrauch von Lehnwörtern durch NHK nicht erfolgt sei, habe sich Takahashi zur Klage veranlaßt gesehen. Weiterlesen
Im Wintersemester 2013/14 halte ich gemeinsam mit Prof. Dr. Manfred Hettling (Institut für Geschichte) ein Oberseminar zur „Bürgergesellschaft in Deutschland und Japan im Vergleich“ am Internationalen Graduiertenkolleg „Formenwandel der Bürgergesellschaft. Deutschland und Japan im Vergleich“, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.