Das Jahr 2017 ist glücklicherweise nicht so weit fortgeschritten, daß man nicht noch einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr werfen könnte. Zeitmangel und fehlende Ruhe lassen mich als Teil meiner noch vergleichsweise jungen jährlichen Routine der Jahre 2013, 2014 und 2015 nun erst verspätet diesen Blick auf ein Ereignis im Dezember 2016 werfen, dessen jährliche Wiederkehr sich in Japan einer gewissen medialen Aufmerksamkeit erfreut: die Bekanntgabe des „Schriftzeichens des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字). Wie bei uns jährlich das „Wort des Jahres“, von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) verkündet, ein sich dem Ende zuneigendes Jahr besonders charakterisieren solle, wurden seit Anfang November 2016 von der „Japanischen Gesellschaft zur Überprüfung der kanji-Fähigkeit“ (Nihon kanji nôryoku kentei kyôkai 日本能力検定協会) wieder Vorschläge für ein chinesisches Schriftzeichen eingeworben, mit dem sich das Jahr 2016 am besten beschreiben lassen sollte. Am 12. Dezember, dem „Tag des chinesischen Schriftzeichens“ (kanji no hi 漢字の日), wurde es wie gewöhnlich in einer kalligraphischen Zeremonie im Kiyomizu-dera (清水寺), einer der bekanntesten buddhistischen Sehenswürdigkeiten Kyôtos, der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach den Jahren 2000 und 2012 fiel zum dritten Mal die Wahl mehrheitlich auf das Schriftzeichen 金 (kin – kon / kane – kana) mit seinen Bedeutungen „Geld“, „Gold“, „goldfarben“, „(Edel-)Metall“. Wie vielfältig die eingereichten Vorschläge gewesen sein müssen, zeigt jedoch deutlich, daß dieses Schriftzeichen mit nur 6.655 von insgesamt abgegebenen 153.562 Stimmen bzw. einem Stimmenanteil von 4,33 % den ersten Platz erreichte. Weiterlesen
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Haben Sie nicht vielleicht auch den Eindruck, als sei das Jahr 2014, wenn auch noch wenige Wochen verbleiben, besonders schnell vergangen? Fast kommt es mir vor, als habe ich erst „gestern“ von der Wahl eines „Schriftzeichen des Jahres“ (kotoshi no kanji 今年の漢字) – da aber für das Jahr 2013 – als verkürzte Bilanz eines Jahreslaufs und den Modus seiner Auswahl berichtet. Heute wurde nun bereits das für das Jahr 2014 repräsentative Schriftzeichen gekürt. Es ist das 20. seiner Art. Die Wahl fiel auf das Schriftzeichen 税 mit den Lesungen zei - sei / mitsugi sowie der Bedeutung „Steuer“. Vor allem die Erhöhung (zôzei 増税) der Verbrauchssteuer (shôhi-zei 消費税) zum 1. April diesen Jahres, übrigens erstmals seit 1997, von 5% auf 8%, aber auch die Verschiebung einer ursprünglich für den 1. Oktober 2015 geplanten zweiten Anhebung auf 10% führten zum Votum für dieses Schriftzeichen. Die Anhebung der Verbrauchssteuer stelle durch eine Verteuerung von Waren des täglichen Bedarfs, der Transportkosten (für Taxis, Bahnen und Busse) und der Gebühren öffentlicher Versorgungsunternehmen für Strom, Gas und Wasser eine Belastung für die Haushaltsführung dar und habe dadurch einen großen Einfluß auf die Lebensweise der Japanerinnen und Japaner erlangt. Damit verwies es die Schriftzeichen netsu / atsu[i] – hate[ru] – iki[ru] – hotobori 熱 (= Hitze, auch Eifer bzw. Enthusiasmus) und kyo / fu{ku] – ha[ku] – uso 嘘 (= Lüge) auf den zweiten bzw. dritten Platz. Weiterlesen
Zumindest sind sie offenbar nicht justitiabel. Vor einigen Monaten berichtete ich von einer recht ungewöhnlichen Klage eines Pensionärs, dem die Entwicklung der japanische Sprache nicht völlig gleichgültig ist, gegen den öffentlich-rechtlichen Fernsehsender NHK. Takahashi Hôji 高橋鵬二 hatte im vergangenen Jahr mit der Behauptung, durch einen zu häufigen Gebrauch englischer Lehnwörter in der japanischen Sprache in Fernsehsendungen des Staatsfernsehens „seelische Qualen“ (seishin-teki kutsû 精神的苦痛) zu erleiden, eine Schadenersatzklage vor dem Landgericht Nagoya (Nagoya chisai 名古屋地裁) angestrengt. Bereits am 12. Juni erging in der Sache das Urteil: Weiterlesen
Er kenne kein anderes Land der Erde, in dem man so respektlos mit der eigenen Sprache umgehe. Mit dieser Einschätzung wurde Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) bereits im Jahr 2010 zitiert, als er in seinem Ressort den Anglizismen in der deutschen Sprache den Kampf ansagte. Ein „Flipchart“ seines Hauses wurde so offenbar wieder zum „Tafelschreibblock“, ein „Meeting“ zu einer „Besprechung“ und ein „Laptop“ zum „Klapprechner“. Da bekanntlich nur der stete Tropfen den Stein höhlt, dauerte es noch drei Jahre, bis auch die Deutsche Bahn 2013 erklärte, nunmehr diesem Vorbild folgen zu wollen, in dem man zur Pflege der deutschen Sprache künftig Anglizismen – soweit möglich – vermeiden wolle. Wenn es dann auch bedauerlich scheint, statt auf den für „kiss & ride“ vorgesehenen Parkplätzen doch möglicherweise zukünftig nur wieder in der „Kurzzeitparkzone“ Abschied nehmen zu können, mag dieses Vorgehen begrenzt die Kommunikation in der Gesellschaft über die Generationengrenzen hinweg erleichtern. Dem Bundesminister sei dennoch eine Reise nach Japan empfohlen, denn so könnte er jenseits seiner auf den nationalen Bereich beschränkten Sichtweise vielleicht ein weiteres „Land der Erde“ kennenlernen, in dem er sprachlich Begeisterte treffen könnte, die seine Ansichten hinsichtlich der Respektlosigkeit des sprachlichen Umgangs nahezu deckungsgleich zu teilen scheinen und gleichermaßen die sprachliche Entwicklung ihres Landes kritisieren.
Im Sommer 2013 war beispielsweise auch für den 71-jährigen Takahashi Hôji 高橋鵬二 eine Grenze überschritten. Als Verantwortlicher eines „Vereins, der die japanische Sprache hochschätzt“ (Nihongo o taisetsu ni suru kai 日本語を大切にする会) reichte der in der Stadt Kani in der Präfektur Gifu 岐阜県可児市 ansässige ehemalige Beamte über seinen Anwalt eine Schadenersatzklage beim Landgericht Nagoya (Nagoya chisai 名古屋地裁) gegen die öffentlich-rechtliche Sendeanstalt NHK (Nihon hôsô kyôkai 日本放送協会) ein. Anlaß seiner Klage waren „seelische Qualen“ (seishin-teki kutsû 精神的苦痛), die durch den übermäßigen Gebrauch von Lehnwörtern, vornehmlich englischer Provenienz, in Sendungen des öffentlichen rechtlichen Fernsehens verursacht worden sein sollen. Inhaltlich wandte er sich gegen den „widerrechtlichen Gebrauch“ von Lehnwörtern in Fernsehsendungen, selbst dann, wenn dieser völlig unnötig sei. Mögen junge Menschen auch diese Fremdwörter verstehen, könnte eine ältere Person Begriffe wie etwa アスリート (asurîto, = athlete, = Athlet) oder コンプライアンス (konpuraiansu, = compliance, = Einwilligung, Konformität, Übereinstimmung, Ordnungsmäßigkeit) inhaltlich nicht erfassen. Der übermäßige Gebrauch von Fremdsprachen führe bei Personen, die diesem gegenüber ein Unwohlsein empfänden, zu unnötigen seelischen Qualen und stelle somit ein „Delikt“ (fuhô kôi 不法行為) gemäß § 709 des japanischen Bürgerlichen Gesetzbuches (minpô dai-709-jô 民法第709条) dar. Gerade ein öffentlich-rechtlicher Sender wie NHK sei aber zu einer allseits verständlichen Ausdrucksweise verpflichtet. Nachdem die Beantwortung eines Schreibens zum Gebrauch von Lehnwörtern durch NHK nicht erfolgt sei, habe sich Takahashi zur Klage veranlaßt gesehen. Weiterlesen
Greenpeace hat knapp einen Monat vor dem 2. Jahrestag der Dreifachkatastrophe im Osten Japans einen Bericht über die – nach Meinung dieser Organisation – völlig unzureichende Entschädigungspraxis der Tokyo Electric Power Company (TEPCO) als Betreiber des Kernkraftwerkes Fukushima und zur Verantwortung führender Unternehmen am Reaktorunfall, die allerdings aufgrund der herrschenden Rechtslage nicht in deren Beteiligung an Entschädigungen mündete, veröffentlicht: Weiterlesen
Im Rahmen des vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan initialisierten Reformprozesses der Vereinten Nationen löste der UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) 2006 die seit 1946 bestehende UN-Menschenrechtskommission (United Nations Commission on Human Rights, kurz: UNCHR) ab. Neben einer Verkleinerung der Zahl der Ratsmitglieder von 53 auf 47 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurde zudem ein neues Instrumentarium zur Untersuchung der weltweiten Menschenrechtssituation geschaffen: die sogenannte „Universelle Periodische Überprüfung“ (Universal Periodic Review, kurz: UPR) der mit den Menschenrechten in Zusammenhang stehenden Lage in allen 193 Mitgliedstaaten. Alle 4 Jahre haben sich die Mitglieder der Vereinten Nationen einem mehrstufigen, höchst institutionalisierten Prozess zur Überprüfung der Menschenrechtssituation ihres Landes zu unterziehen. Im Oktober 2012 war es Japan, das sich zum zweiten Mal diesem Verfahren zu stellen hatte. Weiterlesen