Im Rahmen des vom damaligen Generalsekretär Kofi Annan initialisierten Reformprozesses der Vereinten Nationen löste der UN-Menschenrechtsrat (United Nations Human Rights Council, kurz: UNHRC) 2006 die seit 1946 bestehende UN-Menschenrechtskommission (United Nations Commission on Human Rights, kurz: UNCHR) ab. Neben einer Verkleinerung der Zahl der Ratsmitglieder von 53 auf 47 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen wurde zudem ein neues Instrumentarium zur Untersuchung der weltweiten Menschenrechtssituation geschaffen: die sogenannte „Universelle Periodische Überprüfung“ (Universal Periodic Review, kurz: UPR) der mit den Menschenrechten in Zusammenhang stehenden Lage in allen 193 Mitgliedstaaten. Alle 4 Jahre haben sich die Mitglieder der Vereinten Nationen einem mehrstufigen, höchst institutionalisierten Prozess zur Überprüfung der Menschenrechtssituation ihres Landes zu unterziehen. Im Oktober 2012 war es Japan, das sich zum zweiten Mal diesem Verfahren zu stellen hatte. Weiterlesen
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In der Arbeitspapierreihe des Internationalen Graduiertenkollegs „Formenwandel der Bürgergesellschaft. Japan und Deutschland im Vergleich“ (Universität Halle-Wittenberg und Universität Tôkyô) ist gerade ein längerer Text von mir erschienen, in dem ich mich unter dem Titel „Zivilgesellschaft als staatliche Veranstaltung? Eine Spurensuche im Japan vor 1945″ mit den historischen Wurzeln der japanischen Zivilgesellschaft auseinandersetze.
In meinem Diskussionsbeitrag trete ich für eine nachhaltigere Berücksichtigung historischer Prozesse in der sozial- und politikwissenschaftlichen Forschung zu Japan ein. Es scheint zu kurz zu greifen, die Existenz einer japanischen Zivilgesellschaft mit den Argumenten einer im Japan der Zeit verbreiteten „Tradition des Respekts für die Autorität und der Geringschätzung des Volkes“ (kanson minpi 官尊民卑) und eines Prinzips „der Selbstaufopferung für das Gemeinwohl“ (messhi hôkô 滅私奉公) infrage zu stellen. Dies gilt auch dann, wenn man unter dem Gesichtspunkt einer Berücksichtigung der Unterstützung des zeitgenössischen Herrschaftssystems durch breite gesellschaftliche Schichten, die sich partiell in Organisationen zusammenfanden, die meiner Interpretation nach als zivilgesellschaftliche kategorisiert werden können, nur eingeschränkt zivilgesellschaftstheoretische Annahmen zur Staatferne und Gewaltfreiheit unter Berücksichtigung von Zeit und Raum in Anwendung bringen kann. Weiterlesen
Dokumentar- und Spielfilme historischen Inhalts erfreuen sich nicht nur in Deutschland wachsender Beliebtheit. Auch in Japan bieten Jahrestage und runde Jubiläen nicht nur den Anlaß für wissenschaftliche Konferenzen, Gedenkveranstaltungen und Publikationen, sondern auch für die Aufarbeitung historischer Ereignisse in Form bewegter Bilder. Deren Themen sind vielfältig. So war und ist beispielsweise in ausgewählten Lichtspielhäusern in den Städten Shimanto 四万十, Kyôto 京都 und Tôkyô 東京 im August und September diesen Jahres ein Dokumentarfilm zu sehen, der sich mit der so genannten „Hochverratsaffäre“ (taigyaku jiken 大逆事件) der Jahre 1910 und 1911 beschäftigt.
Die Hochverratsaffäre ist eines der herausragenden Ereignisse in der langen Geschichte der Bekämpfung und Unterdrückung sozialistischer bzw. anarchistischer Überzeugungen in der japanischen Geschichte bis 1945. Unter dem Vorwurf, ein Attentat auf den Meiji Tennô 明治天皇 (1852–1912), dessen Todestag sich 2012 ebenfalls zum hundertsten Male jährte, und den Kronprinzen anläßlich der Geburtstagsparade des Kaisers am 3. November 1910 geplant zu haben, wurden tatsächliche und mutmaßliche japanische Anarchisten zu Hunderten unter dem Generalverdacht der Verschwörung zur Ermordung des Monarchen unter Beobachtung gestellt und verhört, von denen 26 wiederum in einem Verfahren vor dem Reichsgericht (daishin’in 大審院) abgeurteilt wurden. Hintergrund dieses Prozesses bildeten Bestimmungen des „alten Strafgesetzes“ (kyû-keihô 旧刑法), die für eine direkte Beteiligung an Plänen zum Königsmord, dem Hochverrat (taigyaku-zai 大逆罪) also, zwingend die Todesstrafe vorsahen. Weiterlesen