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Ein trüber Tag im Januar 1989
Der 7. Januar 1989 war im Großraum Tôkyô der Erinnerung nach ein trüber Tag. Die Wolkendecke schien einfach nicht aufreißen zu wollen. Ein deutscher Schüler an einer der renommierten Schulen der Hauptstadt für japanische Sprache hatte eine unruhige Nacht verbracht und war für seine Verhältnisse sehr früh wach. Nach neun Monaten in Japan galt es, sich langsam und nur widerwillig auf die für März bevorstehende Heimreise vorzubereiten. Die morgendliche Kälte, die unter der schlecht isolierten Balkontür in sein Ein-Zimmer-Appartment in der Peripherie Tôkyôs zog, ließ sich mit einem kleinen elektrischen Ofen nur unvollkommen bekämpfen. Noch während er leicht fröstelnd darauf wartete, daß im Kessel auf dem Gasherd endlich das Wasser die erforderliche Betriebstemperatur für den, die Lebensgeister erweckenden Kaffee erreichte, stellte er zur Ablenkung den kleinen Fernseher an, der ihm von seinem Vermieter „zur Verbesserung des Hörverständnisses“ überlassen worden war. Hingen die Gedanken auch zunächst noch an der für den Abend des Tages vorgesehenen Verabredung mit Freunden, um eine der großen Diskotheken Roppongis zu besuchen, war er schnell von dem gefangen, was er im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Japans in dieser morgendlichen Stunde zu hören bekam. In Abweichung vom vorgesehenen Programm fand er sich in einer Sondersendung, in der der Nachrichtensprecher mit sehr ernster Miene von jüngsten Entwicklungen im Kaiserpalast berichtete. Schon in den frühen Morgenstunden seien zahlreiche Fahrzeuge des Kaiserlichen Haushalts mit Angehörigen der Kaiserfamilie und Regierungslimousinen, mutmaßlich mit dem Ministerpräsidenten und weiterer hoher Repräsentanten des offiziellen Japan an Bord, in das Areal des Kaiserpalastes eingefahren. Dann wurde plötzlich in den Presseraum des Kaiserlichen Haushaltsamtes (kunaichô 宮内庁) geschaltet, in dem sich der Amtsleiter Fujimori Shôichi 藤森昭一 (1926–2016) vorbereitete, eine Erklärung abzugeben. Er überbrachte, hinsichtlich der Wortwahl und der grammatischen Konstruktion der Verlautbarung auf dem höchsten Niveau, das die japanische Höflichkeitssprache zu bieten hat, eine Nachricht, die das gesamte gesellschaftliche Leben Japans in den nächsten Wochen beherrschen sollte. Gerade erst, am frühen Morgen des 7. Januar 1989, um 6:33 Uhr, sei der Tennô verstorben.
Die „unruhige/bewegte“ Shôwa-Zeit (gekidô no Shôwa 激動の昭和)
Was sich nun ankündigte, war eine tatsächliche Zeitenwende in Japan, wenn auch das Ableben des Monarchen im 64. Jahr seiner Regentschaft seit seiner Thronbesteigung 1926 und im Alter von 87 Jahren nicht völlig überraschte. Am Morgen des 20. September 1988 war die japanische Nation mit der Nachricht aufgeschreckt worden, der Gesundheitszustand des Monarchen sei ernst. Nachdem der Tennô bereits am 18.9. einen Besuch des Sumô-Herbstturniers wegen Fiebers hatte absagen müssen, fand auch am 19.9. ein Termin zur Berichterstattung über die nationale Politik durch Ministerpräsident Takeshita Noboru 竹下登 (1924–2000) schon nicht mehr statt. Durch Blutungen, die in der Nacht zum 20.9. einsetzten, verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Kaisers. In den 111 Tagen seines Krankenlagers wurden täglich detaillierte medizinische Bulletins der Hofärzte veröffentlicht, denen, unter der für jenen Sprachschüler heute noch überraschenden Mißachtung der Privatssphäre des Patienten, konkrete Informationen zu Blutdruck, Puls, Körpertemperatur, Nahrungsaufnahme, Umfang und Art der Blutungen, Menge der Bluttransfusionen, und gelegentlich auch der Ausscheidungen zu entnehmen waren. Allein die fast täglichen Bluttransfusionen, die bis zum Ableben des Kaisers eine Gesamtmenge von 31,865 Litern erreichten, steigerte die Blutspendebereitschaft im Lande erheblich. An vielen Bahnhöfen, zumindest in der Haupststadtregion, sprossen plötzlich mobile Blutspendeeinrichtungen wie Pilze aus dem Boden. Vor diesen bildeten sich gelegentlich sogar Schlangen. Nach dem Tode des Monarchen wurde bekannt, daß man, einer zumindest damals in Japan verbreiteten Norm entsprechend, dem Tennô vorenthalten hatte, daß er an Darmkrebs litt – eine Tatsache, die später die den Tennô betreuenden Ärzte in einen Erklärungsnotstand brachte. Ab dem Morgen des 7. Januar 1989 berichteten die japanischen Fernsehsender, selbst die privaten Sendeanstalten über mehrere Tage ohne Werbeunterbrechungen, über jüngste Entwicklungen im Palast oder der Regierungszentrale, nutzten aber auch zugleich ihre Sendezeit für einen Rückblick auf die längste Amtszeit eines japanischen Monarchen überhaupt.
Zum vorherrschenden Begriff, um die Shôwa-Zeit von ihrem Beginn mit dem Tod des Taishô Tennô 大正天皇 (geb.: 1879) am 25. Dezember 1926 bis zu ihrem Ende in den ersten Tagen des Jahres 1989 zu beschreiben, wurde die Vokabel „unruhig/bewegt“ (gekidô 激動). In der Tat war jene Epoche der japanischen Geschichte „unruhig“, geradezu so „bewegt“, daß diese Wortwahl fast wie ein Euphemismus anmutet. Der am 29. April 1901 geborene Shôwa Tennô hatte bereits im November 1921 die Regentschaft für seinen amtsunfähigen Vater übernommen und begleitete dadurch über fast 70 Jahre die Entwicklungsgeschichte seines Landes an herausgehobener, gelegentlich äußerst einflußreicher Position. Wie deutlich die ersten Jahrzehnte seiner Regentschaft und Herrschaft als Tennô auch zugleich Teile einer Gewaltgeschichte waren, zeigte sich schon am 27.12.1923, als der Prinzregent nur knapp einen Attentatsversuch überlebte, der auf ihn anläßlich der Eröffnung des Parlamentes in Toranomon vom Anarchisten Nanba Daisuke 難波大助 (1899–1924) verübt worden war. Der nach seiner Thronbesteigung im Dezember 1926 als „lebende Gottheit“ (arahitogami 現人神 / akitsukami 現つ神) verehrte Monarch, durch die Gestaltung des politischen Systems Japans mittels der Meiji-Verfassung von 1889 mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet, zeigte bei entscheidenden Wendepunkten in der historischen Entwicklung seines Landes mal eine überraschende Tat- und Entscheidungskraft, mal geradezu eine den Historiker verwirrende, seine spätere historische Einschätzung erschwerende Tatenlosigkeit. Sanktionierte er auch den strammen Antikommunismus als politische Konstante im Innern Japans und verhielt er sich auch gleichermaßen indifferent gegenüber einer an Brutalität und Schärfe zunehmenden Aggression des japanischen Militärs auf dem asiatischen Festland wie gegenüber der Entscheidung, 1941 durch den Angriff auf Pearl Harbor den seit 1931 tobenden Asiatischen in einen Asiatisch-Pazifischen Krieg auszudehnen, zeigte er etwa bei der Niederschlagung des „Zweiten Aufstandes der jungen Offiziere“ im Februar 1936 als Putschversuch gegen das parlamentarische System wie bei der Entscheidung, den Krieg im August 1945 bedingungslos zu beenden, das tatsächliche Ausmaß seiner monarchischen Rechte und Handlungsspielräume. Diese Mischung aus Tatkraft und scheinbarer Tatenlosigkeit sollte geschichtspolitisch die Fragen nach einer Kriegsschuld des Shôwa Tennô und seiner Mitverantwortung an japanischen Kriegsverbrechen über seinen Tod hinaus nie wirklich verstummen lassen.
Die Existenz der japanischen Monarchie blieb ungeachtet einer Reduzierung des Kaiserhauses durch die Abschaffung der kaiserlichen Nebenlinien mit ihrer Reduzierung auf die kaiserliche Kernfamilie, also den Shôwa Tennô, dessen Nachkommen und die Familien seiner drei Brüder, auch nach 1945 gesichert. Eine nicht unbedeutende Rolle dürfte dabei das vergleichsweise gute Verhältnis des Oberkommandierenden der Alliierten Streitkräfte in Japan, General Douglas MacArthur (1880–1964), zum Shôwa Tennô, aber auch die US-amerikanische Sorge vor einer kommunistischen Machtergreifung in Japan vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Kalten Krieg gewesen sein. Ungeachtet der einschneidenden gesellschaftlichen und politischen Veränderungen im Japan der Nachkriegszeit und der Forderung nach seiner Abdankung, die auch aus seinem unmittelbaren Umfeld erhoben wurde, hielt sich der Shôwa Tennô auf dem Thron, wenn auch seine Rolle als Tennô im japanischen Gemeinwesen durch die so genannte demokratische „Friedensverfassung“ von 1947 zu der eines „Symbols des Staates und der Einheit des japanischen Volkes“ verändert wurde. Der Übergang gelang dem Shôwa Tennô anscheinend mühelos. Inmitten der Phase des großen Wirtschaftswachstums konnte der Monarch anläßlich der Olympischen Sommerspiele von Tôkyô 1964 „die Welt“ im nun wirtschaftlich wiedererstarkten Japan willkommen heißen. Die ersten Auslandsreisen eines japanischen Monarchen überhaupt, 1971 nach Europa und 1975 in die USA (mit einem legendären Besuch des Disneylands), zeigten gleichwohl, daß abseits einer diplomatischen Normalität die ersten zwanzig Jahre seiner Herrschaft deutliche Spuren im nicht-japanischen Verständnis dieses Monarchen hinterlassen hatten. In den 1980er Jahren jedoch wirkte es, als habe der inzwischen gebrechlich wirkende Shôwa Tennô nie etwas anderes, als das demokratische Japan repräsentiert. Daß kurz vor seinem Tod, am 10. September 1988 die achte, unverkäufliche wissenschaftliche Buchpublikation dieses Meeresbiologen über die „Hydrozoen der Sagami-Bucht“ [相模湾産ヒドロ虫類] unter seinem Geburtsnamen Hirohito 裕仁 erschien, mag dann nur eine Fußnote seiner Biographie sein. Mit seinem Tod kam die „ ‚unruhige/bewegte‘ Shôwa-Zeit“ (gekidô no Shôwa 激動の昭和), die auch heute noch, dreißig Jahre nach ihrem Ende, ein reichhaltiges Reservoir an Themen für die hstorische Japanforschung bereithält, zu ihrem Abschluß.
Gallerie: Zeitungen und Zeitschriften der Zeit
- Bericht der Asahi shinbun vom 7. Januar 1989 über den Tod des Shôwa Tennô
- Bericht der Nihon keizai shinbun vom 7. Januar 1989 über den Tod des Shôwa Tennô
- Die Nihon keizai shinbun berichtet am 8. Januar 1989 von der Aufnahme der Amtsgeschäfte durch den Thronfolger
- Titelbild der Sonderausgabe der Zeitschrift „Mainichi Gurafu“ vom 21. Januar 1989 zum Ende der Shôwa-Zeit (1926–1989)
- Titelbild der Sonderausgabe der Zeitschrift „Shûkan Yomiuri“ vom 25. Januar 1989 über das Leben des Shôwa Tennô
- Titelbild der Sonderausgabe der Zeitschrift „Shûkan Asahi“ vom 25. Januar 1989 über das Leben des Shôwa Tennô
Die neue Epoche: „Heisei“
In Erinnerung bleibt zudem ein Januartag des Jahres 1989, an dem sich ein Ereignis an das nächste reihte. Neben der Übergabe der Reichsinsignien an den neuen Tennô, dessen Regentschaft unmittelbar mit dem Tod seines Vaters begonnen hatte, war die Verkündung der neuen Regierungsdevise durch den damaligen Kabinettssekretär Obuchi Keizô 小渕恵三 (1937–2000) für die Bevölkerung von größter Bedeutung, denn durch sie veränderte sich kalendarisch die japanische Zeitrechnung. Aus dem 64. Jahr Shôwa, das nur wenige Tage alt geworden war, wurde das 1. Jahr Heisei.
Seit der Einführung des Systems der Regierungsdevisen, die eigentlich eine Übernahme dieses Systems aus dem damals kulturell als fortschrittlich und vorbildhaft empfundenen China darstellte, mit „Taika“ – 大化 – der „großen Reform“ im Jahr 645 hatten sich glückverheißende Motti für die Regierungszeit japanischer Kaiser etabliert. Unmittelbar mit dem Tod des Shôwa Tennô wurde ein Mechanismus seitens der japanischen Regierung in Gang gesetzt, die seit dem 26. Dezember 1926 gültige Äraname „Shôwa“ (= leuchtender Friede) auf der Grundlage des „Gesetzes der Regierungsdevise“ (gengô-hô 元号法) von 1979, dem mit 31 Schriftzeichen zweitkürzesten japanischen Gesetz, das einen Wechsel der Regierungsdevise im Falle des Ablebens des Monarchen vorschreibt, unverzüglich zu ersetzen.
Aus drei von Experten in Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte vorbereiteten Vorschlägen – Shûbun 修文, Seika 正化 und Heisei 平成 – wurde „Heisei“ mit seiner Bedeutung „Friede überall“ als 247. japanische Regierungsdevise ausgewählt. Seit dem Eintritt Japans in die Moderne 1868 gilt der Grundsatz, daß pro Herrschaftszeit eines Tennô nur ein Äraname Verwendung findet. Die Zeichenkombination muß zudem ein die Wünsche und Ideale des japanischen Volkes symbolisierendes Motto darstellen, das aus zwei Schriftzeichen besteht, die einfach zu lesen und zu schreiben sind. Die Devise darf bisher nicht schon als Regierungsdevise oder posthumer Name eines Tennô verwendet worden und auch nicht bereits im umgangssprachlichen Gebrauch sein. Der Begriff „Heisei“ wurde aus zwei Werken der chinesischen Klassik „destilliert“: einem der 130 Bände der „Geschichtlichen Aufzeichnungen“ (史記, chin.: Shiji, jap.: Shiki) & und einem der fünf Klassiker der chinesischen Han-Dynastie, dem „Buch der Urkunden“ (書経, chin.: Shujing, jap.: Shokyô). In den ausgewählten Textstellen kommt der Wunsch zum Ausdruck, im Inneren wie Äußeren möge Friede herrschen. Durch die Unterschrift des neuen Tennô und das kaiserliche Siegel wurde „Heisei“ ab dem 8. Januar 1989, 0 Uhr als neue Regierungsdevise und kalendarische, japanische Einheit verbindlich. Der gegenwärtige Tennô brachte anläßlich seiner Geburtstagspressekonferenz im Dezember 2018 seine Genugtuung zum Ausdruck, daß im 31. Jahr Heisei Ende April 2019 tatsächlich für das japanische Volk eine Epoche ende, die sich als weitgehend friedlich erwiesen habe.
Was vom Tage übrig blieb
An einen Diskobesuch, so wurde dem Deutschen recht schnell klar, war an diesem Tag wirklich nicht mehr zu denken. Die Ereignisse seit September 1988 hatten den Sprachschüler längst eine neue japanische Vokabel, „Selbstbeschränkung“ (jishuku 自粛), gelehrt. Das öffentliche Leben, beispielsweise Sportveranstaltungen, Tempel- und Schreinfeste, aber auch die eigentlich rauschenden Jahresendfeiern inmitten jenes Wirtschaftsbooms, der sich wenige Jahre später als verheerende Blase entpuppen sollte, verlief 1988 schon seit Monaten etwas weniger pulsierend. Gerade erst interviewten Reporter im Fernsehen etwas erstaunt dreinblickende Pärchen und Familien auf den Skipisten der Präfektur Nagano und andernsorts, die dort bisher noch unbehelligt diesem winterlichen Vergnügen nachgegangen waren, ob sie es denn für angemessen hielten, an dem Tag, an dem der Tennô verstorben war, persönliches Vergnügen zu suchen. Schuldbewußt erklärten diese Wintersportler, die offensichtlich erst durch die Fragen der Journalisten von den Ereignissen des Tages Kenntnis erhalten hatten, selbstverständlich umgehend heimzukehren. Die „Selbstbeschränkung“, mithin der Verzicht auf Feierlichkeiten und Vergnügungen, wurde zum beherrschenden Motiv der nächsten Tage und Wochen.
Über die Hintergründe dieses Reflexes, wenn auch beständig in den japanischen Medien propagiert, gab kurz darauf der stets unendlich hilfsbereite, verständige und großzügige Vermieter jenes Schülers in seinem Wohnzimmer, das an prominenter Stelle Fotografien des Kaiserpaares mit der kaiserlichen Chrysantheme in deren Mitte zierte, bereitwillig Auskunft. Man feiere nicht, wenn das Oberhaupt einer Familie sterbe. Nun sei das Familienoberhaupt des japanischen Volkes verstorben. Dies verlange von jedem Angehörigen dieses Volkes in diesen schweren und traurigen Tagen Zurückhaltung aus Respekt vor der Lebensleistung des Monarchen. Erst später lernte jener Deutsche, daß diese Erläuterung letztlich der Essenz dessen entsprach, das als „Staatskörper-Gedanke“ (kokutai shisô 国体思想), der geistesgeschichtlichen Grundlage des japanischen Staates bis – zumindest – zur Niederlage im Asiatisch-Pazifischen Krieg 1945, das gesellschaftliche Leben des Landes historisch entscheidend prägte – der Vorstellung von Japan als „Familienstaat“ (kazoku kokka 家族国家), mit dem Tennô als gleichermaßen liebender wie erziehender und strenger Pater familias.
Das Maß der Anteilnahme in der dreimonatigen Krankheitsphase ist ebenso wenig meßbar wie das der Betroffenheit anläßlich des Todes des Tennô. Aus eigener Anschauung erinnert sich der deutsche Sprachschüler an Gruppen von Oberschülern in ihren Uniformen, an Damen jeden Alters, zum Teil in Kimono gekleidet, und an Firmenangestellte, ihrerseits mit Anzug, Krawatte und Trenchcoat uniformiert, die ihre Taschen auf dem Pflaster abstellten, um noch im Oktober 1988 mit einer tiefen Verbeugung in Richtung des Fukiage Palastes, des Wohnsitzes des Kaisers hinter dem Burggraben, für dessen Genesung zu beten. Am Tag seines Todes wurden auf dem großen Platz vor dem Palast Kondolenzbücher ausgelegt, in die sich Angehörige aller Generationen, zum Teil unter Tränen, eintrugen. Der Andrang wirkte gewaltig. Gelegentlich sah der Deutsche auch Personengruppen oder Einzelpersonen, die lange auf Knien in tiefer Verbeugung vor dem Palastgelände verharrten. Er spekulierte damals, ob sich diese Geste ausschließlich an den verstorbenen Tennô richtete, oder aber auch teilweise dem neuen Amtsinhaber und dem Gelingen seiner Amtszeit galt. Japan stand damals wie heute vor großen innen- und außenpolitischen Herausforderungen.
Für den April 2019 kündigt sich in Japan wieder ein Thronwechsel an. Erstmals seit 1817 mit dessen Abdankung des Kôkaku Tennô 光格天皇 (1771–1840) wird diesem kein Tod eines Tennô vorausgehen. Dem gegenwärtigen Tennô (geb.: 23.12.1933) wird es seinem Wunsch entsprechend gestattet werden, abzudanken. Zuvor aber, voraussichtlich am 24. Februar 2019, wird der gegenwärtige Tennô noch als amtierender Monarch die Gelegenheit haben, am 30. Jahrestag der Beerdigungsfeierlichkeiten des Shôwa Tennô seines Vaters und seines eigenen, 30. Thronjubiläums zu gedenken.