Japanologentag 2009: Panel – Der mobilisierte Bürger? Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Partizipation im Japan der Kriegszeit (1931–1945):
Leitung: Maik Hendrik Sprotte und Tino Schölz
Panel auf dem 14. Deutschsprachigen Japanologentag (29.09.–02.10.2009)
Die um Fußnoten erweiterten und leicht überarbeiteten Beiträge dieses Panels liegen inzwischen in publizierter Form vor:
♦ Sprotte, Maik Hendrik/ Schölz, Tino (Hg., 2010): Der mobilisierte Bürger? Aspekte einer zivilgesellschaftlichen Partizipation im Japan der Kriegszeit (1931–1945). Halle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (= Formenwandel der Bürgergesellschaft – Arbeitspapiere des Internationalen Graduiertenkollegs Halle Tôkyô, Nr. 6).
Diese Publikationen steht Ihnen hier zum Download im PDF-Format zur Verfügung.
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Gegenstand:
Die Vorlage einer „Geschichte der japanischen Bürgergesellschaft“ steht noch aus. Auch wenn Einzelstudien zu zivilgesellschaftlichen Engagements im Japan nach 1945 gelegentlich die möglichen historischen Wurzeln in die Analyse einbeziehen, erweist sich das Narrativ vom erstmaligen Entstehen bürgerschaftlicher Strukturen im demokratisierten Japan nach 1945 als vorherrschend. Gleichwohl ist es lohnenswert, die Frage der japanischen Zeitgeschichtsforschung aufzugreifen, ob es unter dem autoritären Herrschaftssystem Japans in der Hochphase des Ultranationalismus vor 1945 nicht auch Elemente einer eigeninitiativen Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten im japanischen Mutterland am Prozeß einer Mobilisierung materieller wie humaner Ressourcen vor dem Hintergrund der Vorbereitung und Führung eines „Totalen Krieges“ (sôryokusen) gab. Von Interesse ist hierbei, welcher Charakter diese Beteiligung kennzeichnete und worauf sich deren Ziele richteten. In einem zweiten Analyseschritt wäre im Falle einer Befürwortung der ersten Prämisse zu fragen, welche Bedeutung dieser Befund für die Herausbildung einer Bürgergesellschaft in Japan hat.
Exemplarisch wurde an einer Auswahl von Organisationsformen unterschiedlicher Provenienz bzw. von Handlungsfeldern untersucht, welche Rolle dem Volk im „Fünfzehnjährigen Krieg“, also zwischen dem Mandschurischen Zwischenfall 1931 und der Niederlage Japans im August 1945, im Rahmen der von den Machthabern vorgegebenen und sakrosankten Konstitutionsbedingungen des japanischen Herrschaftssystems zugeschrieben wurde, in welchem Umfang daneben aber auch Formen einer bürgergesellschaftlichen Partizipation bestanden und inwieweit diese herrschaftsstabilisierend wirkten.
Das Erkenntnisinteresse richtet sich folglich erstens auf die Beantwortung der Fragestellung, ob das japanische Volk im Untersuchungszeitraum ausschließlich als Summe von Untertanen und Objekt des Mobilisierungsprozesses, sondern zeitlich parallel zugleich als dessen Subjekt interpretiert werden kann, ob es also zivilgesellschaftlich quasi an den eigenen Ketten schmiedete, in die man es legte, sowie zweitens auf das Problem, wie ein möglicherweise zu konstatierendes zivilgesellschaftliches Handeln bis 1945 im Hinblick auf den Entstehungsprozeß bürgerschaftlicher Handlungsmuster nach 1945 bewertet werden muß.
Der Aufbau des Panels gestaltet sich folgendermaßen:
♦ Einleitung
♦ Thomas Büttner (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg): Führer oder Geführte? In- und Exklusion bürgerlicher Eliten in der „Vereinigung zur Unterstützung der kaiserlichen Herrschaft“ (Taisei yokusan-kai).
♦ Maik Hendrik Sprotte (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Ein „einig Volk von Brüdern“? – Techniken der Mobilisierung und Solidarisierung in Nachbarschaften.
♦ Tino Schölz (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): „Sich um die Versehrten und Hinterbliebenen im Geiste echter Mütter und Schwestern kümmern.“ Wohlfahrtsorganisationen für Kriegsopfer.
♦ Nobuhiro Yanagihara (Tôkyô-Universität Tôkyô): Zur (un)freiwilligen Beteiligung der Frauen an der Wehraktivität ‑Die „Frauenvereinigung zur Landesverteidigung“ (Kokubô fujin-kai) 1931–1945.
♦ Hideto Hiramatsu (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg): Für wen engagieren sich Bürger? Das „System der Armenpfleger“ (hômen iin-sei) im Fünfzehnjährigen Krieg.
♦ Jan Schmidt (Ruhr-Universität Bochum): Cui bono? Die Kampagne zum Ausbau des Kashihara-Schreins für die Feierlichkeiten zur „2600jährigen“ Reichsgründung 1940.
♦ Abschlußdiskussion.