Dem Historiker Leopold von Ranke wird der Sinnspruch zugeschrieben, Siege seien schnell errungen, diese Erfolge aber zu verstetigen, gestalte sich eher schwer. In der japanischen Musikszene des Jahres 2012 ist von einem erstaunlichen Sieg zu berichten – Ausgang noch offen. Dieser Sieg wurde zunächst mit einem Video auf Youtube erreicht. Vor 5 Monaten hochgeladen, wurde dieses Video der damals völlig unbekannten Sängerin GILLE, eine englische Coverversion des japanischen Titels „Flying Get“ (フライングゲット) der japanischen J‑Pop-Gruppe AKB48, inzwischen über 2.870.000 Mal (Stand: 21.07.2012) aufgerufen.
Ist schon AKB48 (AKB = Akihabara, einem Ortsteil Tôkyôs, + 48 ursprünglich angedachte Mitglieder, jeweils 24 in 2 Gruppen, Informationen in japanischer Sprache) mit ihrem eigenen Theater in Akihabara und inzwischen 4 Gruppen mit jeweils 16 Sängerinnen ein besonderes Phänomen des so genannten J‑Pop, gilt dies allemal auch für GILLE. Sie verzichtete bewußt auf die Sichtbarkeit ihres Gesichts und ist auf diesem und anderen Videos, um die im Laufe der letzten Monate ihr Youtube-Channel erweitert wurde, ausschließlich in ihrer Silhouette sichtbar.
Neben weiteren englischsprachigen Coverversionen von AKB48 (z.B. „Ponytail and Chouchou“ ポニーテールとシュシュ) spielte GILLE u.a. auch Adeles „Rolling in the deep“, „Grenade“ von Bruno Mars sowie englische Versionen von Saitô Kazuyoshis (斉藤和義) „Yasashiku naritai“ (やさしくなりたい) oder Hilcrhymes „Shun-ka-shû-tô“ (春夏秋冬) ein.
GILLEs Karriere ist in Internetzeiten nicht völlig ungewöhnlich. Durch ihren sensationellen Erfolg auf Youtube konnte sie allerdings sehr schnell mit Universal Music Japan einen Plattenvertrag abschließen. Nun veröffentlichte sie bereits Mitte Juli ihr erstes Album mit dem Titel „I am GILLE“, das in den vier Tagen seit seiner Veröffentlichung stattliche Verkaufszahlen bei Amazon Japan erreichen konnte. Gab sie noch bis vor kurzem nur unerkannt Interviews, wurden nun erstmals ein Pressefoto und erste spärliche biographische Informationen von ihr veröffentlicht. 1987 in der Stadt Saito in der Präfektur Miyazaki geboren, hielt sie sich zu ihrer musikalischen Ausbildung in Los Angeles auf. 2011 versuchte sie bereits mit zwei japanischsprachigen Titeln und unter einem anderen Pseudonym, dem Namen TASHA gee, eine Karriere als Popsängerin zu beginnen.
Neben ihrem zweifelsohne vorhandenen künstlerisch-musikalischen Können und ihrem Erfolg auf Youtube dürfte das Mysterium um ihr Aussehens eine nicht unerhebliche Rolle für das erstaunliche Medieninteresse in Japan an ihrer Person gespielt haben. Es waren ganz offensichtlich gerade diese Medien, die an dieser „Vom Tellerwäscher zum Millionär“-Geschichte einen nicht unerheblichen Anteil hatten. Nun, nachdem die Identität der Sängerin gelüftet ist, bleibt abzuwarten, ob dieser erste große Erfolg in eine langfristige Karriere als Musikerin münden wird. Zu wünschen wäre es ihr allemal.